schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
A- A+
schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
Startseite | FAQ | schwatzgelb.de unterstützen
Login | Registrieren

[Politik] Gabriel verzichtet auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz (Sonstiges)

prosakind, wäre-gerne-in-Graz, Donnerstag, 26.01.2017, 18:03 (vor 2639 Tagen) @ Donngal


Da hat wohl meine eigene Perspektive als gesunder, weißer Mann zugeschlagen. Selbstverständlich hast du Recht, auch die von dir genannten Aspekte sind Teile der sozialen Gerechtigkeit. Können auch gerne mit in den Wahlkampf. Frau Schwesig liefert generell ganz gut ab, wie ich schon sagte.

Trotz alledem müssen wir aufpassen, dass legitime vertikale Argumente (d.h. Argumente, die auf die Überwindung der Stratifikation der Gesellschaft zielen), nicht durch die reine Konzentration auf (grds. genauso legitime) horizontale Argumente (d.h. Argumente, die die Gleichheit innerhalb der Schichten betreffen) verdrängt werden.

Eben das ist nämlich meines Erachtens der Fehler der westlichen Linken (und Ex-Linken) gewesen, der die in den vergangenen Jahrzehnten etablierte Umverteilungspolitik von unten nach oben erst ermöglicht hat. Die gesamte neoliberale "Revolution" seit den frühen 1970er Jahren war gerade deshalb möglich, weil die Linke über dem Beharren auf Gleichheit für ethnische Minderheiten, Geschlechter, sexuelle Orientierungen etc. den eigentlich angebrachten Kampf um die sozioökonomische Gleichheit aller aus den Augen verloren hat. So war das horizontale Feld ein dankbarer Spielplatz, auf dem man sich austoben konnte. Das war sogar im Sinne der herrschenden Klasse, da die unter der Vorgabe der Selbstverwirklichung erfolgende totale Aufsplitterung der Gesellschaft in Partikularinteressen ja eines der wirksamsten Mittel gegen gesellschaftliches Solidaritätsempfinden ist. Oder plakativer ausgedrückt: der Ruf nach Toleranz hat den Ruf nach Solidarität verdrängt. Dabei ist Toleranz die stinkende, hässliche Schwester der Solidarität. Toleranz tut niemanden weh - ändert aber nix. Sie erlaubt nur, mit gutem Gefühl weiter unsozial zu sein.

Erst nachdem die neoliberale Politik den Karren erkennbar an die Wand gefahren hat und als legitime Kritik an den herrschenden Zuständen wieder sagbar wurde, wurde jenes Einverständnis (horizontale Gleichheit für vertikales Schweigen) von Teilen der herrschenden Elite aufgekündigt. Durch das reaktionäre politische Rollback werden die Menschen jetzt auch wieder in horizontalen Fragen aufeinander gehetzt - nicht zuletzt mit dem Ziel, dass jegliche politische Betätigung sich im Verteidigungskampf der erkämpften horizontalen Rechte erschöpft. Und damit die eigentliche Kernfrage nach wirklicher sozialer Gerechtigkeit wieder in den Hintergrund gerät.

Wirkliche soziale Gerechtigkeit lässt sich jedoch nur durch die Überwindung der Klassengesellschaft erreichen - und käme zwangsläufig allen zu Gute (seien es Männer, Frauen, Homosexuelle, Minderheiten - wem auch immer).


Antworten auf diesen Eintrag:



gesamter Thread:


1229338 Einträge in 13652 Threads, 13771 registrierte Benutzer Forumszeit: 19.04.2024, 04:58
RSS Einträge  RSS Threads | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Forumsregeln