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[SZ] Streit zwischen den Niederlanden und der Türkei eskaliert (Sonstiges)

Ulrich, Sonntag, 12.03.2017, 22:27 (vor 2595 Tagen) @ FourrierTrans

Interessant zu beobachten, wie hart die Niederländer reagieren und sogar bereit sind, eine türkische Ministerin mit Polizeischutz zur Grenze zu geleiten.
Möglicherweise auch eine Reaktion auf das innenpolitische Treiben von Geert Wilders, um ihm sozusagen keine Szenarien zu bieten, auf denen er rumreiten könnte?

Man sollte nicht vergessen dass in den Niederlanden am Mittwoch ein neues Parlament gewählt wird. Das dürfte die harte Reaktion von Ministerpräsident Mark Rutte erklären.

Meiner Meinung nach haben die Türken die Situation ganz bewusst eskalieren lassen. Die Stimmung in der Türkei ist wohl bei weitem nicht mehr so pro Verfassungsänderung wie Erdogan sich das erhofft hat. Selbst innerhalb der AKP trägt man das ganze wohl eher pflichtschuldig mit. Erdogan hat Angst dass ihm die Felle weg schwimmen. Aus dem Grunde setzt er noch stärker als bisher auf die Karte Nationalismus. Der angebliche Affront der Niederlande soll ihm die Wähler zu treiben.


Was mich aber wirklich schon lange beschäftigt: Man hat ja die Bilder gesehen von Protesten in Rotterdam, oder vor der türkischen Botschaft in Berlin gestern. Oder auch generell die gut besuchten Auftritte türkischer Minister. Ganz frei von einer Bewertung frage ich mich, was die Motive der dort demonstrierenden/anwesenden Menschen sind. Ich glaube zu verstehen, dass das Menschen sind, für die Erdogan ein Popstar ist und die Niederlande (oder Deutschland, je nach dem von welcher Demo/Veranstaltung man ausgeht) total scheisse ist. Wenn ich so eine große Antipathie gegenüber der hiesigen Politik und Gesellschaft habe, als dass ich Erdogan und Konsorten feiere wie die Mädels meiner Jugend die Backstreet Boys, muss ich dann mein Leben nicht hinterfragen? Also ohne das in irgendeinen negativen Hintergrund rücken zu wollen, aber wenn ich so angekotzt von dem Land bin, in dem ich Lebe, dann ist es doch nicht unmöglich meinen Weg woanders weiterzugehen. Für mich ist das schwer nachzuvollziehen. Jedenfalls scheint nun durch das harte Vorgehen der Niederlande die innenpolitischen Quärelen der Türkei in unser Nachbarland getragen worden zu sein.

Angeblich "starke" Männer (und auch Frauen) können durchaus eine ganz massive Anziehungskraft entwickeln. Erdogan steht da nicht alleine da, ähnlich sah es bei Berlusconi aus. Aktuelle Beispiele sind Gestalten wie Trump, Putin Orban und Co. In Frankreich wird Marine Le Pen zwar wohl wenn es keine riesige Überraschung gibt nicht zur Präsidentin gewählt werden, aber die Stichwahl dürfte sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreichen. Und in Italien ist zumindest nicht ausgeschlossen dass die Fünf Sterne eines faschistoiden Clowns an die Macht gelangen.

In Dresden haben in der Spitze zehntausende einem Multi-Kriminellen zugejubelt der mittlerweile nach dem Motto "Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen!" nach Teneriffa gezogen ist.

Leider haben wir es hier mit einer Entwicklung zu tun die in vielen Staaten der Erde um sich greift. Weil das was in der Türkei passiert auch auf Westeuropa ausstrahlt können wir uns dem ganzen leider nicht entziehen. Unsere Einflussmöglichkeiten sind allerdings begrenzt. Erdogan scheint für Argumente nicht mehr empfänglich. Auf mich wirkt der Mann wie ein Getriebener, die Geister die er gerufen hat bekommt er nicht mehr unter Kontrolle. Ich gehe davon aus dass er tatsächlich überall Gefolgsleute seines ehemaligen Verbündeten Gülen wittert. Und diese Paranoia hat eine Hexenjagd verursacht die dazu geführt hat dass weite Teile der türkischen Verwaltung, der Justiz, des Bildungswesens und des Militärs nur noch sehr eingeschränkt handlungsfähig sind. Dem Land droht eine ausgewachsene Wirtschaftskrise. Der Zustrom billigen Geldes der bisher die Wirtschaft angekurbelt hat ist abgerissen, die Touristenzahlen stark zurück gegangen. In Teilen der Kurdengebiete herrscht faktisch Bürgerkrieg, und die UN hat die Türkei wegen Menschenrechtsverletzungen massiv kritisiert. Es sitzen mehr Journalisten in Gefängnissen als in wohl allen anderen Ländern der Erde, und meiner Meinung nach wird sich die Situation noch weiter zuspitzen.

Wichtig halte ich vor allem dass man argumentativ klare Positionen bezieht und ganz genau hin schaut was türkische Geheimdienste oder die türkischen Religionsbehörden bei uns im Land so treiben. Aber Einreiseverbote sind meiner Meinung nach kontraproduktiv. Sie sind Wasser auf die Mühlen Erdogans und könnten ihm die letzten Wählerstimmen bringen die er für den Erfolg seines Referendums noch benötigt.


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