Nagelsmann nominiert El Mala (Fußball und Sport allgemein)

Will Kane, Biosphärenreservat Bliesgau, Freitag, 07.11.2025, 10:29 (vor 28 Tagen) @ captain_gut

https://www.kicker.de/sane-und-thiaw-zurueck-im-dfb-kader-nagelsmann-ueberrascht-mit-el-mala-1162899/artikel

Früher musstest du konstant gute Leistungen bringen, um in den Kreis der Nationalspieler aufzusteigen. Heute reichen dir gefühlt 6 gute Spiele, ein bisschen Axel-Springer-Hype und schon bist du dabei. Mir geht das inzwischen alles viel zu schnell! Auf der einen Seite sollen die Jungs auf dem Teppich bleiben, auf der anderen Seite werden sie angeschlagen für die Nationalmannschaft nominiert.

Hmm, so ziemlich exakt das gleiche habe ich schon vor mindestens 20 Jahren gehört.

Edit:

Und weil ich neugierig war, habe ich kurz gegoogelt:
https://www.fussballdaten.de/news/dfb-team/nationalspieler-mit-den-wenigsten-bundesliga-partien-b7e2965d/

Erkenntnis unter anderem:

Günter Netzer wurde 1965 nach 7 Bundesligaspielen zum Nationalspieler, Franz Beckenbauer ebenfalls 1965 nach nur 6 Bundesligaspielen. Wolfgang Overath 1963 nach 5 Spielen im Herrenbereich.

Es werden auch noch einige andere Beispiele genannt.

Als Wolfgang Overath A-Nationalspieler wurde, hatte die Bundesliga gerade erst begonnen. Kein anderer seiner Mitspieler in der Nationalelf hatte also mehr Bundesligaspiele auf dem Buckel. Und Spieler wie Schnellinger oder Haller hatten überhaupt keine vorzuweisen… ;-)

Flachs beiseite, normalerweise hätte Overath bereits eine Reihe von Oberligaspielen plus Spielen plus Spielen in der Meisterschaftsrunde vorzuweisen gehabt. Aber in der Saison 62/63, als er zum EffZeh wechselte, war er wegen dieses Wechsels für eine Saison gesperrt. Auswahlspieler von Amateurclubs (Overath war Jugend-Nationalspieler), die zu Lizenzspielervereinen wechselten, wurden damals mit einer einjährigen Sperre belegt.

Overath hatte also im Prinzip ein Jahr keinen Wettbewerbsfußball gespielt und nur eine Handvoll Spiele in der Bundesliga bestritten, als er A-Nationalspieler wurde. Aber sein Talent war beim DFB bekannt. Er bestritt dann auch als Neuprofi alle 30 Bundesligaspiele des EffZeh und trug maßgeblich zur Meisterschaft des EffZeh bei.

Beckenbauer und Netzer waren mit ihren Clubs gerade erst in die Bundesliga aufgestiegen, als sie A-Nationalspieler wurden. Sie konnten also gar nicht mehr Bundesligaeinsätze haben. Allerdings hatten sie bereits eine (Franz) bzw. zwei (Günter) Spielzeiten in der Regionalliga (damals zweithöchste Spielklasse) als Stammspieler hinter sich inklusive Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Die Diskrepanz zwischen Bundesliga und den jeweiligen Regionalligen (hier Süd und West) war in dieser Anfangszeit der Bundesliga noch nicht so ausgeprägt wie es bereits einige Jahre später der Fall war.

Das Talent beider Spieler war offensichtlich; nicht von ungefähr waren sie Jugendnationalspieler. Vor ihren Debuts in der A-Nationalmannschaft hatten sie allerdings erst Einsätze in inoffiziellen Begegnungen (Franz; DFB-Auswahl gegen einen englischen Erstliga-Proficlub) oder der B-Nationalmannschaft (Günter).

Etwas mehr als zehn Jahre früher war 1954 Uwe Seeler mit 17 Jahren und einer Sondergenehmigung des DFB gerade erst Vertragsspieler des HSV geworden, als er unter Sepp Herberger auch gleich sein erstes A-Länderspiel absolvierte. Herberger hatte sogar ernsthaft in Erwägung gezogen, den Jugendspieler Uwe mit zur WM 54 zu nehmen, aber letztlich davon abgesehen.

Danke für die erneute Geschichtsstunde - es ist wirklich immer eine Freude :-).

Und mir ist schon klar, dass die Spieler nicht erst mit ihren Bundesligaspielen aus dem nichts aufgetaucht sind sondern ihr Talent schon vorher aufgefallen war. Aber das gleiche gilt doch auch für El Mala.

Und wenn auf der einen Seite die Diskrepanz zwischen Bundesliga und unteren Ligen kleiner war, ist auf der anderen Seite das Scouting massiv gewachsen. Man weiß also schon deutlich früher deutlich mehr über Spieler, die noch nicht in der Bundesliga angekommen sind.

Mir ging es nur darum aufzuzeigen, dass die "Früher war alles besser"-Stammtischparole (die ich so ähnlich wie gesagt seit mind. 20 Jahren immer wieder höre) quatsch war:

Früher musstest du konstant gute Leistungen bringen, um in den Kreis der Nationalspieler aufzusteigen. Heute reichen dir gefühlt 6 gute Spiele, ein bisschen Axel-Springer-Hype und schon bist du dabei. Mir geht das inzwischen alles viel zu schnell!

Schon klar, ich wollte Deine Sichtweise auch nur unterstützen. Spieler mit herausragendem Talent im Nachwuchsbereich waren bekannt und man konnte ihre Fähigkeiten einschätzen. Aus dem Nichts wurde früher niemand nominiert und heute geschieht dies auch nicht. Heute gibt es einen etwas stärker ausdifferenzierten Nachwuchsbereich, aber auch früher gab es schon entsprechende Staffelungen und zusätzlich auch noch zeitweilig die B-Nationalmannschaft oder die Amateurnationalmannschaft, in denen man junge Talente testen konnte. Und wenn dann einer für reif und talentiert genug befunden wurde, dann wurde der auch ohne wenn und aber nominiert, ganz gleich wieviele Erstligaspiele er vorher absolviert hatte.

Und mitunter geschah das sogar ohne ein einziges Erstligaspiela. Karl-Heinz Schnellinger, überragender Linksverteidiger seiner Zeit, bestritt sein erstes A-Länderspiel als er gerade 18 geworden war. Zu dieser Zeit spielte er er bei Düren 99 in der 2. Liga. Sepp Herberger hat das nicht interessiert, er war so von Schnellinger überzeugt, dass er ihn gleich zur WM 58 nach Schweden mitnahm.

Am meisten amüsiert mich immer, dass offensichtlich viele derjenigen, die mit ‚früher‘-Sprüchen ankommen, offensichtlich gar nicht wissen, was früher tatsächlich war.

Fairerweise muss man konstatieren, dass diese Chancen für junge Spieler, wie sie unter Herberger und in der Anfangsphase Schöns üblich waren, dann doch weniger wurden. Wer z.B. in den 80ern aktiv war, der kann durchaus entsprechend geprägt sein.