Urteil gegen Caster Semenya: Nur mit Medikamenten eine Frau (Sonstiges)
Wo wir seit gestern schon bei komplexen Themen sind, mal wieder ein sportliches:
Gestern entschied der Internationale Sportgerichtshof, dass es zulässig sei, für den Frauensport eine Testosteron-Obergrenze einzuführen. Frauen, deren Testosteronwerte oberhalb dieser Schwelle liegen, müssen sich zukünftig "herunterdopen", also testosteronsenkende Mittel einnehmen, wenn sie weiterhin in Frauendisziplinen antreten möchten. Diese Entscheidung ist beschränkt auf die Laufdisziplinen über 400 und 800 Meter. Anlass ist der Fall Caster Semenyas, die seit einigen Jahren in der Leichtathletik auf den mittleren Strecken, insbesondere 800 m, dominiert.
Die Sache ist komplex. Semenya ist nach jedem oberflächlichen Dafürhalten eine Frau und hat sich auch immer so gefühlt. Ein Chromosomentest wurde nie durchgeführt, wobei hier auch gesagt werden muss, dass diese wie jegliche weitere Tests niemals eindeutig sind, was salopp gesagt daran liegt, dass es keinen singulären Faktor gibt, der das Geschlecht bestimmt - das soziale eh nicht, aber auch nicht das biologische.
Gerade für den Sport bedeutet das natürlich eine Herausforderung, da er (bisher) nur die binäre Aufteilung in "weiblich" und "männlich" kennt und den Frauensport selbstverständlich schützen möchte. Nun setzt sich in Wissenschaft und Gesellschaft die eigentlich ja gar nicht mal so neue Erkenntnis, dass Geschlecht kein binäres Konzept ist, sondern sich zwischen den beiden Polen "männlich" und "weiblich" bewegen kann, endlich durch, was aber eben die Einordnung von Menschen, die nicht dem veralteten, aber noch praktizierten klassisch zweigeschlechtlichen Muster entsprechen, praktisch unmöglich macht.
Man kann nun argumentieren, dass eine Frau, die mehr Testosteron produziert als ihre Konkurrentinnen, einen unfairen Vorteil ihnen gegenüber hat. Aber sind körperliche Vorteile nicht ohnehin einer der Hauptfaktoren, die im Profisport die sehr guten von den überragenden trennen? Usain Bolts Körper verschaffte ihm einen Vorteil gegenüber anderen Sprintern. Bei Michael Phelps stellte man offenbar fest, dass sein Körper nur etwa halb so viel Milchsäure produziere wie seine Konkurrenten. Ist eine Frau, die ein landläufig als "typisch männlich" bezeichnetes Hormon (obwohl jede Frau es auch in ihrem Körper hat) in größerer Menge produziert, mit diesen Beispielen vergleichbar? Oder muss man halt irgendwo eine im Grunde willkürliche Grenze ziehen?
So erklärte dann auch der Sportgerichtshof selbst:
"Das Gremium findet die DSD-Regeln diskriminierend, aber die Mehrheit des Gremiums befand, dass (. . .) eine solche Diskriminierung nötig, angemessen und ein verhältnismässiges Mittel ist, um das Ziel der IAAF zu erreichen: die Integrität der Frauenleichtathletik in den betroffenen Disziplinen zu schützen"
nzz.ch/sport/caster-semenya-ein-urteil-voller-zweifel-ld.1478774