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Ein Chemiekonzern wendet viel Geld auf (Fußball und Sport allgemein)

Will Kane, Biosphärenreservat Bliesgau, Samstag, 12.10.2019, 15:28 (vor 2262 Tagen) @ bobschulz


Demnächst läuft dann ein 100m Läufer 100m bergab?:-)

Hat es schon gegeben.

Liegt allerdings 60 Jahre zurück. Armin Hary lief in einem regulären Wettkampf 1958 die 100 m in 10,0 sec. Eine damals magische Marke. Wäre Weltrekord gewesen und Hary halt der erste Mensch, der diese magische Marke erreicht hätte. Klar, damals wurden die Zeiten noch handgestoppt. Dafür lief man auf roter Asche. Die Zeitnehmer saßen auf einer Art Stufentreppe hintereinander genau in Höhe der Ziellinie. Die gestoppten Zeiten wurden dann gemittelt. Da niemand mit eine solchen Zeit gerechnet hatte (obwohl Hary und auch andere bereits in diversen Läufen zuvor nahe an diese Marke herangekommen waren), wurde sämtliche Voraussetzungen noch einmal gründlichst auf Einhaltung der Vorgaben durchgecheckt. Und dabei kam dann heraus, dass die Laufbahn ein Gefälle aufwies, das 1cm über dem noch zulässigen Wert (10cm) lag. Der Weltrekord wurde entsprechend nicht anerkannt.

Den lief Hary dann 1960 im Zürcher Letziggrund. Das Rennen wurde wiederholt, weil man nachträglich einen angeblichen Fehlstart festgestellt haben wollte. Und Hary lief dann mit Wut im Bauch im Wiederholungslauf zum Weltrekord. Die deutschen Leichtahletikfunktionäre (mit denen Hary ohnehin ständig über Kreuz lag) wollten ihn ohnehin dort nicht starten lassen, weil man ihn für die Olympischen Spiele in Rom schonen wollte. Aber Hary konnte eine offizielle Einladung von den Veranstaltern vorweisen. Da die Zeit für eine Anreise per Bahn oder PKW zu knapp geworden war, musste Hary in einer Transportmaschine nach Zürich mitfliegen, weil kein Linienflug mehr ging. Er traf erst zwei oder drei Stunden vor dem Lauf in Zürich ein.

In Rom gewann er dann die Goldmedaille über 100m. Über die 4x100m (u.a. mit dem vor ein paar Tagen verstorbenen Martin Lauer) gewann er dann noch einmal Gold, weil die eigentlich als erste im Ziel eingelaufene Staffel der USA wegen eines Wechselfehlers disqualifiziert wurde. Ein Jahr später hatte Hary einen Autounfall und musste wegen einer dabei erlittenen Knieverletzung seine Karriere als Leichtathlet aufgeben.

Hary kam aus ‚kleinen Verhältnissen‘. Die Leichtathletik war damals in Deutschland ein ‚bürgerlicher‘ Sport, vielfach von Studenten und Studentinnen aus ‚gutem Hause‘ dominiert. Als Bergmannssohn und gelernter Feinmechaniker hätte er es bei den Funktionären immer schwer gehabt, so Harys Schilderung. Er hatte allerdings auch immer ‚seinen eigenen Kopf‘. Als Unternehmer waren dann seine Erfolge wechselhaft und nicht immer lief dabei alles sauber. Im letzten Jahr hat er seine sportlichen Trophäen in die USA für eine Mio € verkauft. Er habe niemanden, dem er diese Trophäen (u.a. seine Goldmedaillen) hinterlassen könne und in Deutschland gebe es keinen Interessenten. Für meine Generation jedenfalls waren ‚10,0‘ und ‚Armin Hary‘ stehende Begriffe.

In Rom wurde übrigens Abebe Bikila aus Äthiopien Olympiasieger im Marathonlauf in einer Zeit von 2:15:16,2. Das war damals Weltbestleistung. Offizielle Weltrekorde gab es seinerzeit nicht wegen der völlig unterschiedlichen Streckengegebenheiten. Der gute Mann lief barfuß. Die Strecke verlief mitten durch das antike Rom. Es war der bisher einzige Marathon bei Olympischen Spielen, der nicht im Stadion gestartet wurde und auch nicht dort endete. Der Lauf bildete den Abschluss der Leichathletikwettbewerbe und wurde abends gestartet und die Strecke war ausgeleuchtet. Die Zeitverbesserung beträgt also innerhalb von 60 Jahren auf dieser Strecke gut 15 Minuten. Allerdings sind die Bedingungen hat heute doch ein wenig anders...;-)

Wobei für die ersten 3 dieser 15 Minuten benötigte man nur 4 Jahre. Bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio wiederholte Abebe Bikila als erster Läufer überhaupt seinen Olympiasieg, diesmal mit Laufschuhen in 2:12:11,2. Dies bedeutete erneut Weltbestleistung. Nach der Zielankunft im Stadion machte Bikila dann Lockerungsübungen, um zu demonstrieren, dass er noch Reserven hatte. Gegenüber der Presse meinte er dann, er hätte noch gut 2 Minuten schneller laufen können. Sechs Wochen vor diesem Lauf musste sich Bikila einer Blinddarmoperation unterziehen. Den Marathonlauf bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko musste Abebe Bikila abbrechen wegen eines Ermüdungsbruchs im Fuß.

Ein Jahr später hatte er wie Hary einen Autounfall, bei dem er eine Querschnittslähmung erlitt. Seinen sportlichen Ehrgeiz konnte dies nicht bremsen. Er nahm u.a. an einem Schlittenrennen in Norwegen teil, das er auch gewann. Ein paar Jahre später verstarb er an einer Hirnblutung, eine Spätfolge seines Autounfalls. Er war ein großartiger Athlet.


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