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Von geplatzten Meisterträumen und Säckchen (BVB)

Mr. Cheese, Donnerstag, 12.05.2022, 11:06 (vor 1036 Tagen) @ Jurist81

2007 war ich in der Knappschaftsklinik zum einjährigen Pflegepraktikum.
Das Klientel dort war vor allem männlich, aus dem Ruhrgebiet, dementsprechend mit einer Bergbauvergangheit und in den allermeisten Fällen Fußballfan. Und wenn sie Fußballfan waren dann waren sie zu 100% Schalker. Es gab wirklich null andere Fans da. Bayern existierte nicht mal im Wortschatz. Bochum war das Bielefeld des Ruhrgebiets.
Und der BVB? Pah, dieser Pleiteverein? Ach, ihr meint die die immer die Derbies gegen uns verlieren? Hör mir auf.

Am extremsten äußerte sich sowas bei Gruppentherapien. Übungen mit Therabändern, Stäben oder Säckchen. Sobald da etwas im gelben Farben ausgeteilt wurde, wurde es vehement abgelehnt.
Der Physio ließ uns quer durch den Raum gehen und wir sollten uns gegenseitig diese kleinen Säckchen zu werfen und fangen. Koordinationstraining halt.

Als ich ein gelbes Säckchen hatte und dies einem Vorbeilaufendem zuwarf, ist der ausgewichen als hätte ich ihm eine Granate entgegen geworfen. "Diekackepackinian!" beschwerte er sich lauthals bei mir.


In dem Jahr 2007 herrschte eine ausgelassene Stimmung in der Knappschaftsklinik. S04 gewinnt Spiel um Spiel und ist der größte Favorit auf die Meisterschaft. Die erste nach über 50 Jahren.
Und Dortmund? Verliert Spiel um Spiel. Kläglich. Und spielt um den Abstieg.
Glücklicher hätten die blauen nicht sein können. Vor allem das der BVB so schlecht da stand schien die im Kreis hüpfen zu lassen.
Ich habe das jeden Tag gesehen und miterlebt. Fußball war dort Dauerthema. Und es verging kein Tag an dem sich nicht über Borussia lustig gemacht wurde, und kein Tag an dem man nicht schon Pläne für die eigene Meisterfeier schmiedete.

"Wir werden Meister im Dortmund und schicken den BVB in die zweite Liga"

"Wir kaufen alle Tickets auf und das Westfalendings wird komplett blau sein"

Das war das Credo. Die Selbstverständlichkeit wie das alles enden würde.


Am 12. Mai stand ich wie gebannt vor meinem Radio. WDR2 Konferenz. Immer wieder unterbrochen von Musik.
Glaubt es oder nicht, mein Internet war damals zu schlecht um Netradio übertragen zu können.

Ich stand. Direkt vor den Boxen. Habe mich nicht einmal gerührt. Mich nicht einmal hingesetzt. Ich konnte mich nicht entspannen. Es ging einfach nicht.

Es fallen die ersten Tore. Aber nicht in Dortmund sondern bei Vereinen die Meisterschaftkonkurenten der blauen sind. Sie liegen hinten. In Dortmund hört man wie gefeiert wird. Auf Seiten der Schalker. Die Meisterschaft ist zum greifen nahe. Der Albtraum fast perfekt.

Ab dann weiß ich nicht mehr genau wie es war. Ob Sabine "Tor in Dortmund" schrie und zu ihr hingeschaltet werden musste, oder ob die Tore sogar live übertragen wurden.
Ich weiß nur noch wie ich beim 1:0 durch Alex Frei fast alles in meinem Zimmer demoliert habe. Das musste nach einem ganzen beschissenen Jahr raus. Ich war instant heiser.

Die zweite Halbzeit hoffte und betete ich das man irgendwie diese Führung nach Hause bringt. Oder zumindest ein Unentschieden. Ja, ein Unentschieden wäre auch noch ok. Hauptsache die anderen gewinnen nicht.
Ich hoffte und zitterte. Und zitterte.

Dann passierten Dinge die über meine Vorstellungskraft hinaus gingen. Die mir zeigten das es wohl einen Fußballgott gibt und dieser nicht Schalker sein kann.

Stuttgart machte Tore. Man hörte wie die Südtribüne feierte.
Und Ebi Smolarek setzte dem ganzen vergangenen Jahr den größten und besten Sargnagel den ich je erlebt habe.
Ich werde die Bilder niemals vergessen wie er in Siegerpose auf dem Zaun vor der Südtribüne steht.

Borussia Derbysieger. Schalke allesverlierer.
Nicht einmal (das bestimmt lieb gemeinte) Flugzeug konnte sie eine Woche später trösten. Danke, übrigens an die Leute die das organisiert haben. Die beste Fanaktion aller Zeiten.


Achja und die Knappschaftsklinik?
Da herrschte ab dem 12. Mai eine Umglücksstimmung des Todes.
"Na wenigstens sind wir zweiter geworden, da spielen wir immerhin Champions League" hieß es da Parolen schmeißend. Stimmte ja auch. Aber die Art und Weise wie es gesagt wurde war zum schießen. In jeder Silbe lag Enttäuschung. Die wussten, daß die die schwerste Niederlage ihres ganzen Lebens hinzunehmen hatten. Derby verloren und die sicher geglaubte Meisterschaft verpasst.
So nah dran waren sie nie wieder. Nicht mal 2010 obwohl es auch da knapp war.


Und ich war glücklich. Danke liebe Borussia!


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