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Welche Lebensleistung? (Sonstiges)

Ulrich, Samstag, 17.06.2017, 14:05 (vor 2477 Tagen) @ Chappi1991

Das ganze war sehr wohl eine diplomatische Meisterleistung sowohl von Kohl als auch von Genscher sowie denjenigen die in der zweiten Reihe mit verhandelt haben. Das der Ostblock zusammen brach war weder Kohls noch Reagans Verdienst. Und es war in meinen Augen ein enormer Glücksfall dass in Moskau kein Hardliner sondern der Reformer Gorbatschow an die Macht kam. Auch in der DDR hätte der "real existierende Sozialismus" ein ganz anderes, blutiges Ende nehmen können. Man sollte es deshalb Leuten wie Krenz hoch anrechnen dass sie soviel Realitätssinn zeigten zu erkennen dass die Wende nicht aufzuhalten war.


Krenz schreibt sich das gern selbst zu. Das ist für mich eine Frage, über die ich schon sehr lange grübele. Es kann natürlich sein, dass er da Verdienste hat. Allerdings brach die ganze Befehlskette zusammen und die politische Führung war handlungsunfähig oder deutlich eingeschränt in ihrer Handlungsfähigkeit. Ich denke, dass sie gern ganz anders durchgegriffen hätten, aber nicht konnten.

Ich vermute unter einen zwanzig Jahren jüngeren Mielke wäre das ganze im Blutbad geendet. Zwar erodierte die Macht der SED binnen Tagen, aber es gab immer noch einen "harten Kern" innerhalb der Stasi und vermutlich auch in den Elite-Einheiten der NVA die durchaus bereit gewesen wären los zu schlagen. Das waren nicht unbedingt die jungen Leute, sondern diejenigen die schon länger dem System dienten.

Ich kenne zwei aus SED-Familien stammende Leute die damals ihren Wehrdienst beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ abgeleistet haben. Die waren noch kaserniert und wurden bewusst von allen Informationen abgeschnitten, da war das System bereits zusammen gebrochen. Natürlich bekamen sie trotzdem mit was lief, aber sie durften z.B. kein Radio mehr hören oder fernsehen. Zeitungen gab es auf offiziellem Wege auch nicht nachdem diese begonnen hatten kritisch zu berichten. Meine Vermutung ist dass damals einige Verantwortliche noch lange versucht haben eine "Eingreiftruppe" in Bereitschaft zu halten. Glücklicherweise hat niemand von oben den Befehl dazu gegeben, und Eigeninitiative war etwas das man den Kadern in der DDR über Jahrzehnte abtrainiert hatte.

Und mit der Maueröffnung wurde das Kapital der DDR durch die Treuhand verschleudert an die Finanzhaie. Der Einzige, der das verhindern wollte, war wohl C. Rowedder, aber der musste dann leider ins Gras beißen.


Kaum jemand wusste wie marode die DDR bei ihrem Zusammenbruch wirklich war. Und nur eine Minderheit konnte sich vorstellen dass die DDR-Wirtschaft nach der Öffnung der Grenzen wie ein Kartenhaus zusammenbrechen würde.


In dem Land war alles marode, auch die Wirtschaft. Zusammengebrochen ist die Wirtschaft aber nicht durch das Öffnen der Grenze, sondern durch die Wirtschaft- und Währungsunion. Und die war "menschengemacht" oder auch "westgemacht" und kein Naturereignis. Damit war der Osten von den Handelspartnern im Osten abgeschnitten, ohne in die andere Richtung konkurrenzfähig zu sein.

Die Frage ist, wie hätte das funktionieren sollen? Dazu hätte man im Extremfall auch bei uns den Notstand ausrufen müssen. Zahlreiche DDR-Bürger haben sich ja unmittelbar nach der Grenzöffnung nach Westen aufgemacht, und das auch deshalb weil sie der Situation nicht trauten und eine Restauration des alten Systems fürchteten. Dies hatte auch enorme Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft in der DDR. Wenn man damals erklärt hätte, die DDR bleibt zunächst einmal im Comecon und die gültige Währung ist weiterhin die Mark der DDR, dann hätte die Gefahr bestanden dass sich noch viel mehr Menschen auf den Weg in den Westen gemacht hätten. Und dies hätte in Ost und West ein ganz massives Chaos verursacht.


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