Flick unterschreibt als neuer Bundestrainer (Fußball allgemein)

Will Kane, Saarbrücken, Dienstag, 25.05.2021, 20:06 (vor 1090 Tagen) @ Pete H.

Stellst Du Dir die Frage ernsthaft? Löw ist der größer Lucker seit Gustav Gans. Ihm ist eine goldene Generation in die Hände gefallen. Sie wurde von Heynckes, Klopp und Guardiola zur Reife geschliffen. Er hatte einen Top-Co-Trainer. Und hat es beinah mit Regelmäßigkeit versaut (Badstuber als AV in der Vorrunde 2010. Nach Auswechslung vergessen, die Zuordnung bei Freistößen zu klären im Halbfinale 2010. Schwachsinnsaufstellung im Halbfinale 2012. Schwachsinnsideen in der Abwehr 2014.)

Stell dir vor, Du hast den besten RV der Welt in deiner Mannschaft und stellst lieber einen Schaxxer in die 4er Kette.

Allerdings ging damals Schweinsteiger verletzt in die Vorbereitung und war bis zum Achtel-/Viertelfinale nicht wirklich einsatzbereit (bzw. fit). Ebenso war Khedira angeschlagen. So zogen Löw aka Flick Lahm ins Mittelfeld, wodurch diese "spektakuläre" Abwehr zu erklären ist.

Das ist vollkommen richtig.

Khedira hatte im Herbst 2013 einen Kreuzbandriss erlitten und konnte erst am letzten oder vorletzten Spieltag der spanischen Meisterschaft wieder zu Teilzeiteinsätzen auflaufen. Dennoch setzte Ancelotti ihn im Finale der CL gegen Atlético auf der Solo-6 ein, weil Xabi Alonso für das Endspiel gesperrt war. Ein äußerst hohes Risiko, was auch beinahe ins Auge gegangen wäre. Zum einen, weil dies nicht die eigentliche Position Khediras war, und zum anderen, weil er naturgemäß erhebliche Rückstände hatte. Am Führungstor Atléticos war er direkt beteiligt und auch ansonsten neben Coentrão schwächster Spieler Reals in diesem Finale.

Schweinsteiger laborierte ebenfalls über ein halbes Jahr an einer Verletzung und besaß überhaupt keine Spielpraxis, als es ins WM-Turnier ging.

Löw/Flick hatten in genauer Absprache mit den beteiligten Ärzten und Therapeuten einen präzisen Plan erstellen lassen, wann genau Khedira (eher) und Schweinsteiger (später) ins Turnier eingreifen konnten. Ein großes Wagnis, da beide ja auch zwei Kaderplätze belegten. Aber die Zuversicht der Verantwortlichen war berechtigt.

So konnte Lahm dann auch wieder auf die Position des RAV rücken und Mustafi auf die Bank. Gerüchteweise soll Löw diesbezüglich geschwankt und Flick, Schweinsteiger und nicht zuletzt Siegenthaler ihn überzeugt haben.

Die Idee, Höwedes als LAV in der Viererkette zu positionieren, war im übrigen eine der besten in diesem Turnier, muss allerdings im größeren Zusammenhang gesehen werden. Flick und einige Spieler wie Kroos haben Löw vor und noch im laufenden Turnier bearbeitet, keinen offensiven Kombinationsfußball mit einer hochstehenden Viererkette in einem 4-2-3-1 zu spielen (wie es Löws Vorgabe war), sondern als spezifisches Turniersystem in einem kompakten 4-3-3 defensive Stabilität herzustellen und aus diesem kompakten Block heraus das Spiel nach vorne zu gestalten.

Ohne Özil als defensivschwachen 10er, dafür mit Kroos und Khedira als 8er und Schweinsteiger als zentralen 6er war die notwendige Kompaktheit gegeben und die ebenso kompakte und stabile Viererkette konnte sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren. Und genau dieses Konzept der defensiven Kompaktheit war der Schlüssel für den Turniersieg, und in diesem Konzept hatte Höwedes seine rein defensive Aufgabe und die hat er ausgezeichnet erfüllt.

Nach diesem WM-Turnier ging Löw (nun ohne Flick) wieder auf sein präferiertes 4-2-3-1 mit hochstehender Viererkette zurück und wählte auch weder für das EM-Turnier 2016, noch für das WM-Turnier 2018 ein spezifisches Turniersystem. Sicherlich nicht der alleinige, aber ein wesentlicher Grund für das jeweilige Abschneiden.

Warum Löw von dem Erfolgsrezept der WM 2014 abwich und auch nicht mehr zu diesem zurückkehrte, wird sein Geheimnis bleiben. Vielleicht lag es am Ausscheiden Flicks.

Löw sagte einmal in etwa, dass ein Weltmeister den Anspruch des aktiven, offensiven Auftretens haben müsse. Womit man auch schief liegen kann.