Leere (Politik)

Ravenga, In der Ruhr liegt die Kraft, Sonntag, 27.02.2022, 23:13 (vor 1391 Tagen) @ Rupo

Ich saß heute Abend mit einem guten Freund von mir zusammen, der bis zu seinem 15. Lebensjahr in Russland gelebt hat und der entsprechend Russisch spricht. Der hat mir einen offiziellen Telegram-Kanal der ukrainischen Armee gezeigt, auf dem sie Namen und/oder Fotos kriegsgefangener russischer Soldaten veröffentlichen. Nicht um die Russen bloßzustellen, sondern weil die russische Armeeführung es unterlässt die Verwandten gefangener, verwundeter oder getöteter Soldaten über deren Status zu informieren. Man sieht kein Blut, keine offene Wunden oder sonstige Verletzungen. Trotzdem ziehen mir diese Bilder komplett den Stecker...

18, 19 Jahre alte Jungen. Keine Männer, keine Halbstarken, sondern Jungen. Manche haben noch Akne. Unter der Flecktarn-Uniform ein T-Shirt mit dem Motiv einer Figur aus dem Disney-Film Madagaskar. Mal weicht der Blick der Kamera aus, mal fängt sie ihn ein. In den Augen: Nackte Angst, Panik. Körpersprache, sofern zu sehen, entweder völlig verkrampft, wie eine Katze auf der Lauer oder in sich zusammengesunken resigniert. Bebende Hände, die versuchen sich eine Zigarette anzuzünden. Einer sagt: Sagt meiner Mama, dass es mir gut geht.

Ich heule seit 21 Uhr wie ein Schlosshund. Zwischendurch habe ich versucht mich hinzulegen, aber die Bilder holen mich ein. Die leeren, weit aufgerissenen Augen dieser traumatisierten Kinder lassen mich nicht los, egal was ich versuche. Der Kollege hat mich vorher gewarnt, aber...

Zwischen den wiederkehrenden Heulkrämpfen kristallisiert sich ein einziger Wunsch heraus: Putin dafür nach Den Haag zu schicken. Ich sollte eigentlich froh sein, dass die Ukrainer sich so gut schlagen. Ich sollte froh sein, dass weder ich, noch Verwandte/Freunde so etwas am eigenen Leib erleben müssen. Ich sollte das alles fühlen, aber gerade ist da nur Leere und lähmendes Entsetzen.