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Warum ist Werder eigentlich so klamm? (Fußball und Sport allgemein)

Will Kane, Biosphärenreservat Bliesgau, Dienstag, 27.05.2025, 22:09 (vor 204 Tagen) @ Karsten

Das interessiert mich wirklich, warum das so ist.

Werder Bremen ist ja über die Jahrzehnte einer der erfolgreichsten Vereine in Deutschland, hat eine treue Fanbasis, ein modernes und nicht allzu kleines Stadion.

Was diese Punkte betrifft, haben sie doch einige Vorteile gegenüber Mainz, Freiburg, Augsburg, Union, St. Pauli, als Heidenheim, Bochum und Kiel sowieso.

"Naturgemäss" würden sie sich vor diesen Vereinen, vielleicht zusammen mit Gladbach, einreihen.

Warum aber ist in Bremen das Geld so knapp? Liegt das daran, dass ausserhalb der Stadt Bremen halt kaum jemand wohnt, hat man somit vielleicht einen Standortnachteil betreffend Sponsoring, wo einfach in Rheinhessen, bayrisch Schwaben, Hamburg oder am Niederrhein mehr Potential vorhanden ist?

Wie ist da deine Einschätzung?

Der Nordwesten ist strukturschwach, potente Großsponsoren lassen sich da nicht finden. Wobei man im Club und noch mehr im Umfeld dem ‚großen Geld‘ gegenüber ohnehin skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Baumanns regionales mittelständisches Investorenmodell war da schon das Maximum des Machbaren.

Werder konnte nach dem Ab- und sofortigen Wiederaufstieg Anfang der 80er nur zum Spitzenclub werden, weil man es verstand sportlich aus wenig viel zu machen und wirtschaftlich eiserne Grundsätze („Nie wieder Schulden!“) einhielt. Dafür standen Otto Rehhagel und Willi Lemke. Man finanzierte sich in der Hauptsache aus Spielertransfers. Otto holte alte Säcke, die aber Fußball spielen konnten (Burgsmüller, Kostedde) und junge eher unbekannte talentierte Spieler, die Willi teuer verkaufte (Völler, Riedle). Die Kaderkosten bleiben bei allem sportlichem Erfolg somit klein. Wobei dies in den 80ern bis in die 90er hinein auch noch eher möglich war als heute.

Die 90er- und 00er-Jahre brachten einige Veränderungen und auch Werde musste sich professioneller aufstellen. Mit Thomas Schaaf und Klaus Allofs hatte man da auch ein Duo, das für sportlichen Erfolg und gutes Wirtschaften stand. Und, nicht unwichtig bei Werder, ‚Stallgeruch’ hatte ;-) Zumindest solange bis man im Erfolg begann Fehler zu machen, die etwas später dann zum sportlichen und wirtschaftlichen Absturz beigetragen haben. Schaaf hatte eine klare Spielphilosophie und Allofs verpflichtete die passenden Spieler für wenig Geld. Häufig Spieler, die woanders gescheitert, verkannt oder nicht zum Zuge gekommen waren. Die bei Werder einschlugen und für teures Geld verkauft wurden (Micoud, Diego). Also im Prinzip so wie unter Rehhagel und Lemke. Man spielte bedingungslosen Offensivfußball, hatte Erfolg, holte Titel. Und war regelmäßig in europäischen Wettbewerben vertreten.

Das war seinerzeit zwar nicht annähernd so lukrativ wie später ab den 10er-Jahren, brachte aber auch sein Geld ein. Und hier begann man im Erfolg entscheidende Fehler zu machen. Der (notwendige) Stadionum-/neubau zählt vielleicht nicht dazu, hat aber viel Kapital gebunden, weil man ihn zur Hälfte selbst finanzierte. Die Spielereinkäufe wurden aber teurer und saßen immer weniger; man tätigte so manches Verlustgeschäft. Noch gravierender war es, das man die Position in der Bundesligaspitzengruppe und als CL-Teilnehmer halten wollte indem man ‚in die Mannschaft investierte‘, sprich man wollte Leistungsträger wie Mertesacker, Wiese oder Frings (als Rückkehrer) in Bremen halten statt sie teuer zu verkaufen und neue ‚günstige‘ Spieler als Ersatz zu verpflichten und stattete sie mit hoch dotierten Verträgen aus.

Sportlich verpasste man neue taktische Entwicklungen und erst schleichend, dann mit einem Mal verpasste man das internationale Geschäft und das justament zu dem Zeitpunkt, als die CL finanziell so richtig attraktiv wurde. Ohne das Geld aus der CL ließ sich der teure (überteuerte) Kader aber nicht mehr halten. Kreditaufnahmen waren tabu, an der Stadionfinanzierung ließ sich nichts ändern, also mussten die Kaderkosten radikal gesenkt werden. Die Spitzenspieler wurden verkauft, bestehende Verträge geändert, Schaaf und Allofs mussten gehen.

Eine solche Änderung der Kaderstruktur benötigt allerdings mehrere Spielzeiten. In denen Werder bei Neuverpflichtungen ein Maximaljahresgehalt von € 1 Mio festsetzte, nur in absoluten Ausnahmefällen wurden bis zu € 2 Mio bewilligt. Die operativen Verluste pro Geschäftsjahr sollten dabei so gering gehalten werden, dass man sie aus den verbliebenen Rücklagen ausgleichen konnte, solange bis man wieder schwarze Zahlen schreiben konnte. Gleichzeitig sollte die Klasse gehalten werden.

Zur Umsetzung dieses Konzeptes (quasi der ‚Drecksarbeit‘) wurde von außen Thomas Eichin verpflichtet, der dies auch bewerkstelligte. Und die Papiere bekam, als man wieder schwarze Zahlen schrieb, keine Kredite hatte aufnehmen müssen und nicht abgestiegen war. Sein Nachfolger wurde Frank Baumann, der dann auch wieder mehr Geld in Neuverpflichtungen investieren durfte, was dank eines guten Scouting zunächst auch gut gelang. Spieler wie Delaney reüssierten, konnten teuer verkauft werden und brachten das notwendige Geld. Und als man dann mit Florian Kohfeldt einen (internen) Trainer gefunden zu haben glaubte, der an die Ära Schasf anknüpfen könnte und man tatsächlich auch nur knapp einen EL-Platz verfehlt hatte, machte man die nächsten schweren Fehler.

Die Sehnsucht nach ‚Europa‘ war groß und man entschied sich, statt auf zu entwickelnder Spieler mit Wiederverkaufswert auf ‚gestandene Bundesligaspieler’ zu setzen. Die waren zwar teuer, brachten aber nicht die erhoffte Leistung. FloKo verzettelte sich als Trainer, wollte seinen Spielstil beibehalten, überforderte die Mannschaft total, die Mannschaft stürzte ab, nur über die Relegation hielt man die Klasse. In der Folgesaison zwang sich FloKo geradezu zum Pragmatismus, konnte es dann bei vermeintlich gesichertem Klassenerhalt aber nicht lassen, wieder herumzuexperimentieren. Am Ende stieg man dann doch noch ab; auch weil man zu lange an Koffeldt festgehalten hat.

Dieser Abstieg hat Werder fast die Existenz gekostet. Erneut mussten die besten Spieler verkauft werden, Verträge geändert werden., neue zweitligaerfahrene Spieler günstig geholt werden, ein neuer Trainer verpflichtet werden. Die TV-Gelder fehlten, die DFL-Auflagen zur Lizenzerteilung g waren hart. € 25 -30 Mio mussten als Transferüberschuss erreicht werden. Irgendwie hat man es dann doch geschafft, die Kurve zu bekommen, auch dank guter Trainerentscheidungen (Anfang, dann Werner), und man stieg direkt wieder auf. Wobei die Lizenzauflagen nach wie vor Herausforderungen blieben.

Hinzu kam mit Corona ein Ereignis, das zwar alle Clubs traf, aber Werder besonders hart (fehlende Zuschauereinnahmen). Ohne hohe Kreditaufnahmen, die den Club nach wie vor arg drücken, wäre es das Aus gewesen.

Deshalb ist Werder finanziell klamm, kann kaum gezielt den Kader verstärken. Unter diesen Voraussetzungen hat Ole Werner einen super Job gemacht, obwohl er nie die erhofften Verstärkungen erhielt oder erhalten konnte. Dass er da nicht unbedingt seine weitere Perspektive gesehen hat, ist für mich absolut nachzuvollziehen, auch wenn es sehr schade ist für Werder.


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