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Das AfD-Ergebnis ist nur ein Symptom der Einheitspolitik (Sonstiges)

Zilpzalp, Sonntag, 04.09.2016, 22:19 (vor 2815 Tagen) @ Frankonius

Seien wir doch mal ehrlich. Den AfD-Wählern geht es nicht um Parteiprogramme, es geht ihnen nicht um vermeintliche Kleinigkeiten oder um Tagespolitik. Ihnen geht es um zentrale, wegweisende Forderungen, die die Zukunft und mindestens die nächsten Dekaden bestimmen. Die meisten der AfD-Wähler ignorieren gekonnt, wie nah ihre Partei politisch an der FDP ist. Sie würden dies vorerst hinnehmen, wenn sie dafür ihr Ziel erreichen könnten - sei es, aus dem Euro auszutreten, Griechenland aus dem Euro zu mobben, oder aktuell eben, keine Flüchtlinge aufzunehmen.
Die Leute, die diese Partei wählen, sind mit einigen extrem einflussreichen Entscheidungen nicht einverstanden, und ihre oberste Priorität ist es, dies irgendwie zu korrigieren.

Ja, es mag für die Volkswirtschaft als Ganzes schlecht sein, aus dem Euro auszutreten. Das ändert aber nichts daran, dass einige sowohl die EU als auch die Eurozone kritisch sehen, und dafür haben sie Gründe. Was man als wichtiger erachtet ist eine Frage der Präferenzen. Einigen Leuten ist nunmal die absolute Souveränität wichtiger als der Geldbeutel. Es gab keine Partei mit Chancen auf Einzug ins Parlament, die diese Ansichten vertreten hat.
Ja, es mag unsolidarisch sein, Griechenland sich selbst zu überlassen. Andererseits ist es aber auch nicht gesichert, dass der gewählte Kurs tatsächlich der beste für die griechische Bevölkerung ist, selbst Ökonomen können diese Frage nicht seriös beantworten. Man muss kein Nazi sein, um zu wollen, dass Griechenland nicht mehr im Euro ist. Trotzdem gab es keine Partei in Parlamentnähe, die dafür geworben hat.
Ja, es mag moralisch höchst fragwürdig sein, Flüchtlingen nicht helfen zu wollen, aber Egoismus ist nicht verboten. Vor allem gibt es auch soziale und kulturelle Aspekte einer solchen Masseneinwanderung, die zukünftig definitiv zu teilweise großen Problemen führen wird. Soll man deswegen die Menschen wieder zurückschicken und sie ihrem Schicksal überlassen? Meiner Meinung nicht, aber eine andere Sichtweise ist nicht verboten - es gibt für keinen ein Naturrecht auf eine Einwanderung, und es ist das Recht der Bevölkerung, asozial und egoistisch zu sein. Dennoch hat keine einzige Partei diese Ansicht vertreten, bis auf die CSU vielleicht.

Wann immer die AfD großen Zulauf bekam, wurde eine große politische Entscheidung getroffen, mit der bedeutende Teile der Bevölkerung nicht einverstanden waren. Das ist in Ordnung - was aber nicht in Ordnung ist, ist die Tatsache, dass diese Leute KEINE Berücksichtigung in der Politik finden. Ist das die Art und Weise, wie Demokratie funktionieren soll?

Der Euro wird auch in Zukunft dafür sorgen, dass Deutschland Europa in weiten Teilen im Griff hat. Dies kann theoretisch noch für eine Menge Zündstoff sorgen. Was, wenn eine Person diese Gefahr als so real empfindet, dass sie sich tatsächlich um unsere Zukunft fürchtet? Ähnliches kann man auch über die EU als Institution sorgen - was, wenn sich eine Person tatsächlich darum fürchtet, dass die EU die Demokratie und die Souveränität der Länder Schritt für Schritt abschafft, durch nicht gerade demokratisch gewählte Gremien etc? Was, wenn eine Person fürchtet, dass eine Masseneinwanderung in so kurzer Zeit dazu führt, dass es zu Ghettoisierung kommt, dass die Einwanderer sich nicht integrieren können, und es dann in 20, 30, 40, 50 Jahren ständig zu Konflikten kommt? Was, wenn die Leute befürchten, dass es zu bürgerkriegsähnlichen Situationen kommt, wie in den USA in Ferguson etc, oder mit den terroristischen Anschlägen in Frankreich?

Wie wahrscheinlich oder realitätsfern diese Szenarien auch sein mögen, gänzlich unmöglich sind sie nicht. Deshalb muss man diese Überlegungen auch ernst nehmen, denn hier kommt es auf die Präferenzen ein - gehe ich dieses Risiko von 1-5% ein, dass es in 30 Jahren zu häufigen Unruhen in der Bevölkerung kommt, um dafür das Leben von Millionen von Menschen retten zu können? Das ist ein sehr makaberes Beispiel, aber Menschen haben auch diesbezüglich unterschiedliche Präferenzen.

Wenn für einen Menschen eines dieser Szenarien so schlimm ist, dass er es auf jeden Fall verhindern möchte, dann ist das so. Und wenn dies auf einen großen Teil der Bevöklerung zutrifft (was ja so sein muss, siehe Ergebnisse der AfD), dann muss das auch irgendwie im politischen Alltag berücksichtigt werden. Welche der Parteien im Bundestag vertritt denn diese Ansichten? Ist es korrekt und wünschenswert, dass offensichtlich 25%+ der Bevölkerung krass ignoriert werden, obwohl dies so gravierende Entscheidungen sind, dass sie von der großen Mehrheit getragen werden sollte?

Im Ernst - was machen eigentlich unsere Parteien? Meines Erachtens ist es eigentlich die Rolle der CDU, diese sehr konservativen Befürchtungen auch zu respektieren und zu berücksichtigen. So affig die Leute der CSU auch sein mögen, und so sehr man sie auch für lächerlich halten mag - eine Partei wie die CSU sorgt dafür, dass Ansichten von breiten Teilen der Bevölkerung Berücksichtigung finden, ohne dass die Leute zu Nazi-Parteien laufen müssen. Was haben denn Bürger außerhalb von Bayerns für eine Alternative, wenn eines der oben vorgetragenen Szenarien für sie untragbar ist? Sie haben nur die Wahl zwischen "Land ruinieren" und "Nazis wählen" - und viele machen dann halt letzteres, in der Hoffnung, dass ihre Ansichten endlich berücksichtigt werden, ohne dass die AfD zu viel Schaden anrichten kann. Wenn es aber Parteien gäbe, die beispielsweise distanziert gegenüber der EU oder dem Euro auftreten, oder aber eine restriktivere Einwanderungspolitik fordern, ohne gleich Jagd auf Asylantenheime etc zu machen - dann würde man der AfD und der Pegida-Scheiße direkt den Wind aus den Segeln nehmen.


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