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Quo Vadis N11 (und BVB, Bayern...) (WM / EM aktuell)

Ricola1, Ort, Freitag, 02.12.2022, 11:37 (vor 508 Tagen) @ koom

Ich habe entgegen meiner Boykott-Idee das Spiel tatsächlich doch angeschaut - war dann unterm Strich zu interessant. Und hat sich unterhaltungstechnisch sehr gelohnt, habe sehr gelacht teilweise. ;-)

Warum ist die N11 rausgeflogen? Nicht wegen dem Spiel gegen Costa Rica, sondern wegen der Niederlage gegen Japan. Aber auch wenn das Spiel gestern keiner wirklichen Analyse bedarf, zeigt es doch die Probleme auf, die die N11, aber auch die Bayern und der BVB, so haben.

Die ersten 15 Minuten waren gelinde gesagt toll. Beherztes Risikospiel, konzentriert Bälle zurückerobert, permanentes Tempo und hohe Intensität. Mit den ersten 15 Minuten könnte man so problemlos als Weltmeister mitspielen. Selbst ohne echte Sechs oder Mittelstürmer. Und dann fiel das 1:0.

Ab dann traten die Probleme in Erscheinung, die gerade das 1:2 gegen Japan verursachte. Man wollte auch hier mehr Verwalten, Kräfte sparen, "es langsamer angehen" und vertraute darauf, dass man jetzt zwar weniger, aber vielleicht bessere Chancen herausspielt. Ökonomie. Auf dem Platz sah man dann meistens Rüdiger, der den Ball von links nach rechts spielte und wieder zurückbekam. Vor ihm bewegte sich kaum noch einer ausser Sane und Musiala, die mit ihren bevorzugten Mitteln (Sane Risikopässe, Musiala Risikodribblings) für Bewegung sorgten - allerdings nur bei sich selbst. Der Rest der Mannschaft war geistig und mental nicht mehr auf dem Niveau, um solche Aktionen in Erfolge umzusetzen.

Und dann bekam Costa Rica seine erste Chance, es brannte direkt lichterloh und es wurde nur noch schlimmer. Anstatt wieder die Intensität hochzufahren, zerfiel die Mannschaft noch mehr in eine Mischung aus hoher Intensität auf der einen Seite (Sane, Musiala, vielleicht auch Müller) und falschem Sicherheitsdenken. Wodurch es dann nur noch schlimmer wurde. Vorne wurde halbherzig viel riskiert und dadurch Konter ermöglicht, die dann wiederum strukturell wie individuell zu zaghaft gestoppt wurden. Keine Gelbe Karte, indem man mal ein taktisches Foul macht, um so einen Konter zu stoppen.

Man kann und darf nun die deutsche Fußballerausbildung angehen. Macht Flick auch. Aber er ist seit 2004 Bestandteil der deutschen Fußballerausbildung und somit auch Teil seines Jobs immer gewesen. Nimmt man sein Wirken hauptamtlich bei den Bayern mal her, fällt auf, dass er schlichtweg kein Fan von Defensivspielern ist. Kein Sechser, bei den AVs entweder Aussenstürmer (Davies, Gnabry) oder gelernte IVs (Parvard, Hernandez). Und hat man eine gelernte Kraft auf der Position (Sechser, Roca, Tolisso; AVs: Richards, Sarr), "funktioniert" diese nicht, weil sie taktisch entweder allein gelassen wird oder offensiv zu wenig macht.

Das sieht man auch bei der N11 und den deutschen Spielern. Natürlich hätte Flick gerne einen deutschen Lewandowski oder anderen Goalgetter und vermutlich würde dann alles besser funktionieren - wobei das fraglich ist, denn zuletzt war auch Flick bei den Bayern immer weniger erfolgreich und flog früh in CL und DFB-Pokal raus.

Diese Probleme im schlechten Defensivspiel sind mittlerweile typisch deutsch. BVB, Bayern, N11 - im Grunde kann man auch RB Leipzig, Leverkusen und Gladbach mit dazunehmen, sind alle nicht in der Lage, gegnerische Angriffe verlässlich zu töten. Ganz im Gegenteil brennt es sehr oft, wenn der Gegner entschlossen angreift.

Persönlich denke ich, dass dem deutschen Fußball mehr Einfluss von Tuchel als Flick gut tun würde. Tuchel Steckenpferd ist ganzheitlicher und beginnt mit einer guten Defensive. Wenn man hinten verlässlich zu Null spielen kann, fällt es leichter, vorne auf Risiko zu gehen. Das merkt man dann doch sehr. Generell ist diese Defensiv-Ignoranz ein seltsamer Effekt, dem auch Nagelsmann unterliegt. Wohingegen die Lehren von Guardiola, Klopp und Tuchel - aber auch Ancelotti, Zidane und anderer, meistens immer erst mal mit einem guten Defensivgerüst, Balleroberung beginnen.

Die Analyse trifft meine Wahrnehmung spontan geschätzt zu mindestens 90 %. Das, was Du beschreibst, sieht man an Musiala. Spontan geschätzt der einzige der Spieler auf dem Platz, der nicht in Deutschland ausgebildet wurde (Zufall?). Du schreibst hier von Risikodribbling - ein Begriff, der positiv wie negativ zu werten ist. Ist hier meistens niedergemacht worden. Laut verschiedener Quelle hat er entweder 12/13 Dribblings gewonnen oder 13 von 18 (Quote 72 %). Die durchschnittliche Quote der Top-Spieler der PL liegt bei 65 %, hieß es. Risiko hat sich zum einen vollkommen gelohnt (bis auf den Umstand, dass es 2 Mal an den Pfosten statt ins Tor ging).

Ich bleibe bei diesem Spieler: Der hat permanent versucht, die Abwehr aufzubrechen. Zu viel Risiko, wie hier vorgeworfen worden oder exakt das Problem dieser Mannschaft (und in Teilen auch in seinem Klub)?

Ich finde den Kontext, in dem Musiala dort agierte, interessant. So weit ich das beobachtet habe, gingen mehr Angriffe von ihm (oder auch Dribblings) über Mitte-Halblinks. Wer sind dann die Anspielstationen, also die Alternative? Es waren Raum (kann mit dem Ball außer direkt zu flanken wie vor dem 1:0 - auf Musiala-Vorlage nach dessen Mittelfeld-Durchmarsch - wenig anfangen. Heißt: Spiele auf Raum, kommt eine Flanke, allerdings ohne Mittelstürmer). Gnabry (technisch für keine Kombination zu gebrauchen, schließt selbst ab, relativ wenig Finesse dabei, mehr Gewalt). Goretzka. Technisch nicht zu gebrauch.

Die Alternative heißt noch Mittelstürmer. Da steht Müller. Exemplarisch beim besten Dribbling im Strafraum von CR: Musiala erobert den Ball im Strafraum, läuft um 5 Spieler von links in die Mitte, spielt am 5-Meter-Raum Müller an, der lässt unsauber abtropfen auf den 0,5 m weiter wegstehenden Goretzka, der kommt gar nicht richtig ran - Chance einfach weggespült.

Für Musiala stellte sich die Offensive so dar: Keine Kombinationsspieler in Sicht, also bspw. mal ein Doppelpass. Die Szene, die richtig funktionierte, war das 1:0. Musiala treibt den Ball durch das Mittelfeld, Raum und Gnabry bewegen sich endlich richtig, der eine links, der andere läuft gegensätzlich in den Strafraum, Pass von M. auf Raum kommt, Direktflanke, Tor.

Das große Problem vorne drin, wie auch schon gegen Spanien, war nicht das Risikodribbling, sondern die falsche oder gar fehlende Bewegung. Musiala hat schon gegen Spanien permanent 2-3-fach Deckung genossen. Normalerweise bietet sich automatisch Raum für die Kollegen vorne, irgendwo. Den muss man dann auch nutzen und nicht zu zweit oder dritt im Umkreis von einem Meter rumstehen und zugucken, was Musiala so macht.

Das habe ich so ausführlich beschrieben, weil es anknüpft an Deine Beschreibung: Da hat auch vorne viel zu wenig stattgefunden, um die Optionen, die aus dem offensiven Mittelfeld heraus hätten kommen können, zu nutzen. Die standen dann nicht nur rum, wenn Musiala den Ball hatte, sondern sogar dann, wenn der Gegner ihn eroberte - und das führt(e) zu Kontern, die kaum unterbunden werden.

Die Mannschaft ist nicht wach, sieht keine Räume, nutzt keine Räume und verschläft teils einfach die Dynamik eines Spielzugs - in beide Richtungen (wissentlich übertrieben). Und das ist ein schwerwiegendes Problem der Ausbildung insgesamt, wie Du geschrieben hast oder ich Dich verstanden habe. Sowohl bei den Trainern wie auch und vor allem bei den Spielern. Schlechtes Positionsspiel, kein Verständnis für die Dynamik und damit dann automatisch einhergehend irgendwann fehlende Konzentration, weil man gar nicht mehr mitbekommt, was direkt im eigenen Umfeld zu grade passiert (nicht nur Süle gg. Japan, sondern hochdosiert oft bei Kimmich).


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