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[Brexit] The Sun goes German (Sonstiges)

Ulrich, Donnerstag, 14.09.2017, 10:37 (vor 2409 Tagen) @ Copperfield

Klar ist heute nur eins: Wenn post-Brexit die Lebensumstände für die, die in großer Zahl für Leave gestimmt haben, sich nicht bessern - und danach sieht es aus - wird auch dann wieder die EU schuldig sein, nicht ihre eigene Beschränktheit oder ihre skrupellosen rechtspopulistischen Politiker.


Das stimmt mal und somit haben alle Politiker schon ne Entschuldigung. Da niemand feststellen kann wie es wäre wenn UK gar nicht erst in die EU eingetretten ist kann man das immer als Königsfehler hinstellen und alles weitere beruht nur darauf. Nach dem Motto "Die EU war von Anfang an ein Fehler für UK".

Großbritannien war in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg wirtschaftlich zunehmend am Ende, es galt als "der kranke Mann Europas". Sie wollten deshalb schon früh in die damalige EWG eintreten, aber Frankreich hielt recht lange die Tür zu. Erst als die Franzosen ihren Widerstand aufgaben durften die Briten Mitglied werden, wenn ich mich recht erinnere flankiert von einer positiv ausgegangenen Abstimmung in Großbritannien.

Wenn die Briten jetzt wieder austreten, dann hat die EU danach keinerlei "Fürsorgepflicht" für die britischen Staatsbürger mehr. Dafür ist dann einzig und alleine die britische Regierung verantwortlich. Und "draußen" heißt dann zunächst einmal "draußen". Wollen die Briten irgend eine Art von privilegierter Behandlung, dann müssen sie ihrerseits adäquate Gegenleistungen anbieten. Und wollen sie gar weiterhin Zugang zum EU-Binnenmarkt dann müssen sie ihrerseits die Regeln der EU akzeptieren. Dazu gehören u.a. Arbeitnehmerfreizügigkeit und Übernahme der relevanten innerhalb der EU geltenden gesetzlichen Regelungen.


Die Frage ist und bleibt wie es mit England nach dem Brexit weiter geht. Der Plan sich als "Handelstor" für die Welt zur EU aufzustellen scheint wohl nicht so zu klappen. Die Kassen sind leer, die Subventionen aus Brüssel werden fehlen. Und das Geld vom Finanzmarkt London wird quasi mit einem Klick über Nacht des Brexit-Tags abgezogen werden. Solange das nicht geklärt ist werden auch die Verhandlungen scheitern.

Die Subventionen dürften das kleinste Problem sein. Die EU ist der mit Abstand größte Handelspartner der Briten. Die produzierende Industrie hat auf der Insel eh schon einen weitaus geringeren Stellenwert als im Rest der EU. Gerade große, weltweit aufgestellte Konzerne könnten binnen weniger Jahre ihre Produktionsstandorte verlegen. Ob beispielsweise in einigen Jahren in Großbritannien noch Tragflächen für den Airbus produziert werden wage ich zu bezweifeln. Und auch der Triebwerkshersteller Rolls-Royce hat bereits jetzt in Deutschland einige wichtige Standorte.

Drei Viertel der Wirtschaftsleistung in Großbritannien werden von der Dienstleistungsindustrie erwirtschaftet. Das sind in erster Linie Banken und Versicherungen, plus die ganzen Zuarbeiter. Man träumt wohl davon aus London ein neues Singapur zu machen. Allerdings hat Singapur anders als London kein Hinterland. Es gibt sicherlich Bereiche der Finanzbranche die vom Brexit nicht wirklich betroffen sind. Aber anderen könnte der Austritt aus der EU die Geschäftsgrundlage weitgehend entziehen. Und ich bin mir ganz sicher, die EU wird sehr genau hinschauen um zu verhindern dass britische Banken und Versicherungen in Frankfurt, Paris, Luxemburg, Dublin, etc. nur reine Briefkastenfirmen als EU-Repräsentanzen eröffnen.

Großbritannien wurde von der Bankenkrise deutlich stärker getroffen als die andren europäischen Staaten. Dies lag wohl einerseits daran dass man deutlich stärker auf diesen Bereich gesetzt hat als andere und den Fehlentwicklungen in diesem Bereich nichts entgegen gesetzt hat bis es dann "knallte". Die Briten haben dann enorme Summen in das Bankensystem pumpen müssen um den Kollaps zu verhindern, Geldmittel die man selbst leihen musste. 2007 lag die britische Staatsverschuldung noch bei ca. 650 Milliarden Pfund. 2017 werden es geschätzte 1.800 knapp Milliarden Pfund sein. Will man jetzt nach dem EU-Ausstieg erneut auf eine völlig deregulierte, aggressive Finanzwirtschaft setzen, dann legt man den Zünder für den nächsten Crash. Und der könnte den Briten dann endgültig das Genick brechen. Zudem dürften alle Bestrebungen in diese Richtung auf entschiedenen Widerstand der anderen EU-Staaten stoßen.

Für mich ist die Finanzkrise der eigentliche Auslöser des Brexit. Man musste die Banken und Versicherungen stützen um den Kollaps der Wirtschaft zu verhindern. Das Geld das man dafür ausgegeben hat versuchte man dann aber von den einfachen Bürgern wieder einzutreiben indem beispielsweise die eh schon schlechten Sozialleistungen weiter gekürzt wurden, Abgaben und Steuern erhöht wurden, Ausgaben in den Ausbau und den Erhalt der Infrastruktur gekürzt und / oder auf die eh schon wirtschaftlich starken Regionen, insbesondere auf London, beschränkt wurden. Dies brachte das Fass dann zum Überlaufen, und die Verantwortung wurde von der nationalen Politik der EU zugeschoben.


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