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SPIEGELgate (Fußball und Sport allgemein)

prosakind, wäre-gerne-in-Graz, Donnerstag, 20.12.2018, 21:05 (vor 2559 Tagen) @ Kulibi77

Meines Erachtens ist das eigentliche Problem, dass immer noch krampfhaft die Fassade des "objektiven Journalismus" und der "vierten Gewalt" hochgehalten wird. Dabei kann der Journalismus schon aus systemischen Gründen diesen Anspruch gar nicht erfüllen. Was zum einen an der notwendigen Profitorientierung/Refinanzierungspflicht liegt, zum anderen an der doch mittlerweile sehr homogenen Zusammensetzung des journalistischen Milieus. Wenn ein Großteil aller heutigen Journalisten wohlerzogene, weiße Mittelschichtskinder aus der Erbengeneration sind - die noch dazu auf einer der zahlreichen Journalistenschulen normiert worden sind - kann man wohl, nur ein Beispiel, kaum kritische Artikel über die Ungerechtigkeiten der hiesigen Vererbungsgesetzung erwarten. Wenn sie dann karrierefördernd auch noch auf vielfältige Art und Weise in die herrschenden Netzwerke eingebunden sind, wird das mit der Systemkritik irgendwann generell schwer. Wenn ich mir vom "links"-liberalen Milieu die Welt erklären lasse, darf ich mich nicht wundern, wenn ich halt überwiegend eine "links"-liberale Perspektive aufgezeigt bekomme.
Und ehrlicherweise: irgendwann ist dann auch egal, ob die Reportage die journalistischen Beobachtungen in das Narrativ der eigenen subjektiven Weltsicht einbettet - oder ob sie gleichzeitig die für die eigene subjektive Weltsicht passenden Beobachtungen konstruiert.

Individuell gesehen ist es natürlich nützlich, die Illusion eines Journalismus als "objektiven" Berichterstatter des Zeitgeschehens zu überwinden (ein Anspruch, der ja beispielsweise in den Geistes- und Sozialwissenschaften aufgrund seiner Nichteinlösbarkeit schon seit Jahrzehnten überwunden ist) und die Medien als das zu erkennen, was sie sind: nämlich subjektive, im Zweifel herrschaftssichernde und -legitimierende Partei. Dann entsteht nämlich eine derart künstliche Aufregung über "einzelne" schwarze Schafe erst gar nicht.

Gesellschaftlich gesehen wird es aber zum Problem, wenn das journalistische Verhalten derart plump und durchschaubar wird, dass es selbst in breiten Bevölkerungskreisen wenn nicht erkannt, dann zumindest gefühlt wird. Das muss nicht in allen Fällen wirklich reflektiert und gerecht sein - es erodiert aber dadurch nicht nur das Vertrauen in die "vierte Macht", sondern auch in das System, dass diese schützt. Und dann bedarf es mehr als eines Walter Lippmanns, um das ganz wieder in die Reihe zu bekommen.


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