schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
A- A+
schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
Startseite | FAQ | schwatzgelb.de unterstützen
Login | Registrieren

Urlaub (Sonstiges)

Will Kane, Saarbrücken, Freitag, 05.07.2024, 02:22 (vor 65 Tagen) @ Didi

Wie ist die Situation den mit dem Wolf? Viele Risse von Schafen und Ziegen, viel Ärger, Frust und Trauer bei Bauern? Stattdessen eine eher mit dem Wolf sympathisierende Stadtbevölkerung?

So ist die Lage jedenfalls in den Schweizer Alpen. Man hat hier zwar die Abschuss-Bedingungen gelockert, aber es gibt trotz allem noch viele Risse und viele Bauern kapitulieren.

Für mich kein prioritäeres Thema, aber würde mich dennoch der Blick über die Grenze interessieren.

Das Saarland ist zwar das einzige Bundesland (noch) ohne eigene Wolfspopulation (im Frühjahr konnte erstmals die Anwesenheit eines wahrscheinlich durchziehenden Wolfes nachgewiesen werden), aner man ist von Wölfen quasi ‚umzingelt‘. Insbesondere in den Vogesen in den benachbarten Regionen Lothringen und Elsass ist de rWolf mittlerweile wieder heimisch geworden. Daher kannte ich bereits ein wenig die Diskussionen um den Wolf in Frankreich.

Generell ist es eher so, dass die Stadtbevölkerung eher desinteressiert erscheint. Manche Bevölkerungsteile sind da offensichtlich völlig außen vor. Wenn mal eine Meldung kommt, dass ein Wolf 70 Km vor Paris gesichtet wurde, gibt es schon mal eine gewisse (eher mediale) Aufgeregtheit, die dann aber schnell wieder abflacht.

Gegensätze bis hin zu Konfrontationen gibt es allerdings schon. Da geht es allerdings um Auseinandersetzungen zwischen betroffener Landbevölkerung, insbesondere Schaf- und Ziegenhaltern, und dem Staat bzw. den Präfekturen und zuständigen Behörden.

Es kommt auch auf die jeweilige Gegend an, was auch mit den Haltungsformen der Herden zusammenhängt. In den besonders betroffenen südlichen französischen Alpen werden große Herden oft das ganze Jahr über auf den Almen gehalten, was für die Wölfe natürlich das ganze Jahr über relativ einfache Beute heißt. In dieser Gegend gibt es wohl auch den größten Widerstand gegen den geschützten Wolf und da greift auch schon einmal einer zum eigenen Gewehr.

Interessanterweise ist Frankreich in Europa das Land mit den größten Schäden im Viehbestand hinsichtlich Rissen durch Wölfe. Ein Wolf reißt dort das vier bis fünffache eines Wolfes z.B. in Deutschland oder selbst in Polen. Was einerseits an den erwähnten Haltungsformen liegt, aber auch andere Ursachen haben könnte. Der französische Staat entschädigt die betroffenen Halter deutlich großzügiger als es z.B. in Deutschland der Fall ist. Wolfsschützer haben schon öfters den Verdacht geäußert, dass eine ganze Reihe gemeldeter toter Schafe gar nicht dem Wolf zum Opfer gefallen sei, sondern es sich schlicht um verunfallte Tiere handelt oder das Vieh von streunenden Hunden gerissen wurden. Die Überprüfungen durch die Behörden sind zwar generell sehr strikt, in bestimmten Gegenden sollen sie aber eher lax sein. Auszuschließen ist das nicht, aber auch nicht zu beweisen.

Der Wolf wurde in Frankreich über Jahrhunderte gnadenlos verfolgt und dezimiert bis zur vollständigen Ausrottung vor ca. 90 Jahren. Dies geschah sogar durch eine eigens nur zu diesem Zweck zusammengestellte Truppe. Die später dann in die heutige Einheit zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität umgewandelt wurde. Nur die darf übrigens im Prinzip Wölfe schießen (illegale Abschüsse kommen vor), wobei die ‚Entnahme‘ von Wölfen zwar erst nach wiederholten Vorfällen eine Herde betreffend erfolgen darf, von der Anzahl her aber großzügiger gehandhabt wird als in den meisten anderen Ländern der EU.

Die zuständigen staatlichen Behörden unterstützen die Viehhalter übrigens auch großzügiger bei Schutzmaßnahmen wie Zauneinsatz und Schutzhunden. Das Zusammenspiel aus Zaun, Hütehunden und Herdenschutzhunden hat sich im übrigen als am effektivsten erwiesen. Einen 100%igen Schutz bietet dies zwar auch nicht und es ist sehr aufwändig und teuer. Aber es ist am effektivsten.

Wie häufig gibt es sowohl erbitterte Wolfsgegner, als auch bedingungslose Befürworter des Wolfes. Blinder Hass und blinde Liebe. Und da wird sich auch lautstark auseinandergesetzt. Es gibt aber auch viel zwischen diesen Extremen. Interessanterweise auch in der Jägerschaft, in der viele um den Bestand des Reh- und Rotwildes fürchten. Unter bestimmten Bedingungen dürfen auch Jäger im Ausnahmefall einen Wolf erlegen.

Den beeindruckenden Herdenschutzhunden sind wir im übrigen erstmals vor einigen Jahren in den Pyrenäen begegnet, wo der Wolf mittlerweile auch wieder zugewandert ist. Dort ging es aber nicht um den Schutz vor Wölfen, sondern vor Bären. Was nach meinem Eindruck sogar das eher größere Problem darstellt, da der Bär durchaus Menschen angreift und für den Absturz ganzer Herden in Gebirgsschluchten verantwortlich ist.

Das Ganze ist ein Thema, bei dem es kein Schwarz oder Weiß gibt. Nur mit dem Aufbau von gegenseitigem Verständnis, Kompromissbereitschaft, Pragmatismus und großzügig bemessener finanzieller und praktischer Hilfe kann man aus Konfrontation Kohabitation machen.


Antworten auf diesen Eintrag:



gesamter Thread:


1313310 Einträge in 14323 Threads, 14072 registrierte Benutzer Forumszeit: 08.09.2024, 06:30
RSS Einträge  RSS Threads | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Forumsregeln