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Diese Philosophen in den Takshows (Politik)

Ulrich, Montag, 09.05.2022, 09:54 (vor 1322 Tagen) @ Garum

> Bevor ich also falsch verstanden werde: Ich halte weitere Waffenlieferung, auch schwere Waffen, für richtig. Trotzdem fällt es mir schwer.

Wenn man weiß das es besser ist und richtig ist schwere Waffen zu liefern warum tut man sich dann schwer?

Weil die Probleme in der praktischen Umsetzung liegen, und das nicht nur in Deutschland. Auch die USA haben zunächst vor allem leichte Infanterie-Waffen geliefert. In der Regel Hightech-Systeme, an denen die ukrainischen Soldaten bereits seit einigen Jahren ausgebildet worden sind.

Es wurden sehr schnell auch schwere Waffen geliefert. Aber zunächst nur solche aus dem ehemaligen Ostblock. Die können von der Ukraine sofort eingesetzt werden, weil man sich damit auskennt. Schweres Gerät aus dem Westen hingegen dürfte erst in Monaten verwendet werden können. Man muss nicht nur die Besatzungen für die Bedienung schulen, sondern auch die Instandhaltungskräfte. Dazu kommen dann noch Taktik-Schulungen. In Zusammenhang mit der Lieferung von Marder-Kampfpanzern an Slowenien als Ersatz für Ost-Gerät an die Ukraine konnte man lesen, dass die Einheiten dort erst in neun Monaten komplett einsatzbereit sein dürften. Das ließe sich für ukrainische Kräfte sicherlich straffen, aber wir würden vermutlich immer noch über drei, vier oder mehr Monate reden.

Würden die USA z.B. jetzt ankündigen, die Ukraine mit M1-Kampfpanzern, M2-Schützenpanzern, M109-Haubitzen, etc. auszustatten, dann würde dies der Ukraine frühestens im Herbst militärisch helfen. So eine Ankündigung würde aber wütende Reaktionen Russlands hervorrufen. An einen taktischen Nuklearschlag glaube ich nicht. Aber Russland würde sicherlich alles, was es an konventionellen Reserven hat oder zu haben glaubt, in den Kampf werfen. Man würde noch wütender versuchen, die Ukraine vorher militärisch zu schlagen. Und man würde das ganze noch mehr propagandistisch aufladen.

Ich bin mir recht sicher, dass es in den USA bereits von Anfang an Überlegungen gegeben hat, wie man die Ukraine auch mit westlichen schweren Material unterstützen kann. Aber die Vorbereitungen dürften in aller Stille ablaufen. Der Großteil der Experten geht davon aus, dass vor Russland wegen seiner massiven Verluste in nächster Zeit eine Erholungspause benötigt, um die eigenen Einheiten zu ersetzten bzw. neu aufzustellen. Die Zeit wird man dann auch auf westlicher Seite nutzen.

Auf deutscher Seite kommt hinzu, dass wir bei schwerem Gerät weitgehend "blank" sind. Wir hatten in den Neunzigern 5000 Kampfpanzer, mittlerweile sind es weniger als 300. Die Marder-Schützenpanzer hätten eigentlich bereits lange ausgemustert sein sollen. Die Einführung des Nachfolgers Puma hat sich aber wegen massiver Qualitätsprobleme deutlich verzögert, die letzten Marder dürften noch bis 2030 im Einsatz sein. Bei der Panzerhaubitze 2000 sind zwar alle Exemplare der Bundeswehr noch offiziell im Einsatz, die meisten sind aber faktisch wegen Defekten und Wartungsstau nicht verfügbar.

Bei den der Ukraine von Produzenten und Händlern angebotenen dort eingelagerten älteren Modellen sollte man nicht unterschätzen, dass die nach den langen Standzeiten vermutlich aufwändig instandgesetzt werden müssen. Beim Gepard geht man von einem halben Jahr aus, bei den alten Marder-Schützenpanzern von bis zu einem Jahr.

Ein großes Problem stellt bei allen Systemen mit älteren Rheinmetall-Kanonen die Munitionsversorgung dar. Die Produktionsstätten befinden sich in der Schweiz, und die verweigert den Export in die Ukraine. Man meint wohl teilweise, Ersatz gefunden zu haben. Aber in trockenen Tüchern ist da noch nichts.

Die nächste Frage ist, welchen Nutzen hätten die älteren deutschen Systeme für die Ukraine? Da schneidet wohl der Gepard am besten ab. Er könnte vor allem im Osten der Ukraine Verbände im offenen Feld sehr gut vor tief fliegenden Flugzeugen oder Hubschraubern sowie Drohnen schützen. Die Ukraine setzt bereits in kleineren Stückzahlen ein vergleichbares System aus sowjetischer Fertigung ein. Taktisch dürfte es beim Einsatz wohl keine Unterschiede geben, man müsste lediglich das Bedienungs- und Wartungspersonal schulen sowie eine Ersatzteil-Infrastruktur aufbauen.

Die Marder-Schützenpanzer dürften für die Ukraine einen ähnlichen Wert wie die osteuropäischen Modelle haben. Am schlechtesten schneidet der Leopard 1 ab. Er kann bereits auf größere Entfernung von ehemals sowjetischen Baumustern wie dem T-64 oder dem T-72 zerstört werden. Seine Kanone hingegen ist zu schwach, um diese Systeme sicher auch nur aus mittlerer Entfernung zerstören zu können.

Aus den USA sind bisher aus westlicher Fertigung ältere Transportpanzer vom Typ M113 sowie moderne Feldhaubitzen zugesagt und eventuell geliefert worden. Aus Deutschland und den Niederlanden sollen insgesamt 12 Panzerhaubitzen 2000 kommen, die Ausbildung der Ukrainer läuft wohl mittlerweile an. Frankreich will Haubitzen auf Lkw liefern, Tschechien ähnliche Systeme, allerdings auf auch für schweres Gelände geeigneten Tatra-8x8-Fahrgestellen. Bereits vor der Invasion hatte die Ukraine aus dem Westen spezielle Radarsysteme erhalten, die in Echtzeit die Ortung gegnerischer Artilleriestellungen sowie der Einschlagpunkte von gegnerischem Feuer ermöglichen. Diese Systeme sind sehr wichtig, wenn es um die Ausschaltung gegnerischer Artilleriestellungen geht. Sollte dieser Krieg wie befürchtet weiter gehen, dann werden sicherlich Schritt für Schritt weitere westliche Waffensysteme geliefert werden.


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