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Wie sieht eigentlich der Weg aus der Pandemie raus aus? (Corona)

Lutz09, Tor zum Sauerland, Mittwoch, 28.07.2021, 22:56 (vor 1002 Tagen) @ Ulrich
bearbeitet von Lutz09, Mittwoch, 28.07.2021, 23:03

Was soll Unfug sein? Das Maßnahmen verhältnismäßig sein müssen? Das wirst du aus dem Grundgesetz ableiten können. Und das gilt sowohl für ein Verbot von Lkws und Pkws, als auch für aktuell Maßnahmen in der Coronakrise.


Natürlich müssen die Maßnahmen verhältnismäßig sein. Und sie sind es auch. Die Delta-Variante ist dermaßen ansteckend, dass die Zahlen beim Verzicht auf die notwendigen Maßnahmen in kurzer Zeit durch die Decke gehen würden. Mit entsprechenden Folgen.

Wie will man eigentlich beurteilen, dass eine Maßnahme verhältnismäßig ist, wenn man gar nicht weiß, was eine Maßnahme genau bringt und ob die Maßnahme das einzige geeignete Mittel ist?

Davon ab:

Wird mit den Maßnahmen das Ziel angestrebt, die Überlastung des Gesundheitssystems – konkret: der Intensivstationen – zu vermeiden und auf diese Weise eine optimale Behandlung aller Patienten sicherzustellen, hängt die Erforderlichkeit des Lockdown im ganzen wie auch der einzelnen Social Distancing-Maßnahmen bezogen auf dieses Ziel davon ab, ob erstens ohne die zu beurteilenden staatlichen Maßnahmen mit einer Überlastung der Intensivstationen zu rechnen ist und ob zweitens die Überlastung der Intensivstationen mit anderen, die Freiheit weniger einschränkenden Mitteln ebensogut verhindert werden könnte.

Ob mit einer Überlastung der Intensivstationen zu rechnen ist, hängt von zwei Variablen ab: von der Zahl der freien Intensivbetten und von der Zahl der schweren, eine Intensibehandlung erfordernden Krankheitsverläufe. Beide Variablen können vom Staat ohne Freiheitseinschränkungen für die Allgemeinheit günstig beeinflusst werden – die erste Variable, indem die Zahl der Intensivbetten erhöht wird. Hierfür gab es seit Beginn der Epidemie und seit man ihr Ausmaß abschätzen konnte, viel Zeit. Ein begrenzender Faktor scheint das Pflegepersonal zu sein. Anwerbung und Ausbildung sind nicht von heute auf morgen möglich. Bemühungen, Pflegekräfte
zurückzugewinnen, die sich wegen schlechter Bezahlung und miserabler Arbeitsbedingungen einen anderen Beruf gesucht haben, scheint es nicht gegeben zu haben. Vielleicht hätte auch ein Teil der 410000 Pflegekräfte, für die während des ersten Lockdown Kurzarbeit beantragt wurde, auf Intensivstationen eingesetzt werden können. Wie auch immer – wenn in einem gegebenen Zeitpunkt die Erforderlichkeit eines neuen Lockdown zu beurteilen ist, kommt es allein darauf an, wie die Kapazität der Intensivstationen in diesem Zeitpunkt aussieht und in welchem Maße sie noch vor der drohenden Überbelegung erhöht werden kann. Beruht der drohende Gesundheitsnotstand auf dem Versäumnis, die Kapazität rechtzeitig zu erhöhen, steht dies der Erforderlichkeit des Lockdown nicht entgegen. Das Versäumnis wirkt sich dann möglicherweise auf der Ebene der Staatshaftung aus, lässt aber die Rechtfertigung der Freiheitseinschränkungen unberührt.

Die zweite Variable kann vor allem durch besonderen Schutz der Risikogruppen beeinflusst werden: Gibt es weniger Infektionen bei den vulnerablen Gruppen, sinkt das Risiko der Überlastung der Intensivstationen erheblich. Schon in einem frühen Zeitpunkt der Epidemie war erkennbar, dass an Covid-19 ganz überwiegend alte und mit anderen Krankheiten schwer vorbelastete Menschen schwer erkranken oder sterben, während schwere Verläufe und Todesfälle bei jungen Menschen sehr selten sind. Dies hat sich im weiteren Verlauf bestätigt. Zudem haben Alters- und Pflegeheime sich als Hotspots für Infektionen und Erkrankungen erwiesen. Es gibt somit eine klare Zielgruppe für besondere Schutzmaßnahmen. Wenn es möglich ist, die Zahl der schweren Krankheitsverläufe durch den gezielten Schutz der Risikogruppen so zu vermindern, dass die Kapazität der Intensivstationen nicht ausgelastet wird, ist ein Lockdown zur Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems nicht erforderlich. Auf die Zahl der Infizierten beziehungsweise der positiv Getesteten kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Auch wenn deren Anzahl exponentiell ansteigt, führt dies nicht automatisch zur Überlastung des Gesundheitssystems. Infizieren sich hauptsächlich jüngere und nicht mit schweren Krankheiten vorbelastete Menschen, wirkt sich die Fallzahl auf die Belegung der Intensivstationen kaum aus. Ein Lockdown ist nicht erforderlich, sofern trotz steigender Fallzahlen die Überlastung der Intensivstationen dadurch vermieden werden kann, dass man Infektionen in Alters- und Pflegeheimen oder ähnlichen Einrichtungen weitestgehend verhindert und den Angehörigen von Risikogruppen im Übrigen Hilfen zum Schutz vor Infektionen wie Taxidienste, besondere Einkaufszeiten oder Lieferdienste (Essen u.a.) anbietet.
Auch wirksamer Schutz der Risikogruppen erfordert einigen organisatorischen Aufwand, so dass diese Alternative die Erforderlichkeit eines Lockdown nicht entfallen lässt, wenn bei dynamischer Epidemieentwicklung die Kapazität der Intensivstationen bereits annähernd erschöpft ist. Auch hier gilt, was oben schon in anderem Zusammenhang gesagt wurde: Sogar schwerwiegende Versäumnisse der Bundesregierung und der Landesregierungen bei der Vorsorge gegen die Überlastung des Gesundheitssystems schließen die Rechtfertigung eines Lockdown nicht aus, wenn er wegen dieser Versäumnisse notwendig wird.
Zeigt sich aber, dass der Lockdown erforderlich ist, weil die Risikogruppen nicht ausreichend geschützt sind, dann ergibt sich aus den Freiheitsrechten die Verpflichtung der zuständigen staatlichen Stellen, so schnell wie möglich Abhilfe durch besseren Schutz der besonders Gefährdeten zu schaffen, um den Lockdown beenden zu können. Entsprechendes gilt für die Erweiterung der Kapazität der Intensivstationen. Der Staat muss hier handeln und auch Finanzmittel zur Verfügung stellen. Dass diese Verpflichtung aus den Grundrechten folgt, hat nichts mit der Begründung von grundrechtlichen Leistungsansprüchen zu tun. Sondern es ist die freiheitsrechtliche Konsequenz daraus, dass der Staat nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Freiheitseingriffe so gering wie möglich halten muss. Freiheitseingriffe von dem Umfang und der Intensität eines Lockdown muss er so schnell wie möglich beenden bzw. vermindern, wenn er in der Lage ist, unter Einsatz staatlicher Mittel die Gefahren, denen mit den Freiheitseingriffen begegnet werden soll, zu reduzieren.


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