Tuchel verkackts mal wieder (BVB)

Zilpzalp, Samstag, 15.10.2016, 09:51 (vor 3014 Tagen) @ Jarou9

Mir geht es nicht darum, dass wir per se unser altes 4-1-4-1 spielen. Wie du schon sagst war unser Spiel damals eher darauf ausgelegt, 5-3 zu gewinnen, statt 2-0.

Die Sache ist aber, dass unsere Formation aktuell nicht besser ist. Die Sache ist die: Defensive Stabilität kommt hauptsächlich darin, dass wir so risikofrei spielen. Unser Spiel ist extrem entschleunigt aktuell, und wir gehen kein Risiko. Klar, wir stehen auch defensiv stabiler weil wir einen Mann mehr haben hinten, aber letztlich ist der Vorteil gegen über unserer alten Formation eigentlich (strukturell) nicht zu groß.
Wir stehen hauptsächlich deswegen defensiv besser, weil wir nicht im Minutentakt einen Angriff nach dem nächsten fahren - wie beispielsweise gestern. Dadurch kommt es nicht so oft zu Ballwechseln oder gefährlichen Kontersituationen für den Gegner. Wenn wir mit unserer jetzigen Formation so direkt und zielgerichtet aufbauen würden, dann würden wir auch defensiv weniger stabil aussehen - nicht so unstabil wie im 4-1-4-1, aber auch nicht sonderlich besser. Es war in unserem alten 4-1-4-1 nur selten der Fall, dass unser Gegner auf nur zwei Verteidiger zuläuft - weil damals eben Weigl wesentlich tiefer stand. Heute steht er höher, auch wenn wir den Ball in der gegnerischen Hälfte haben, früher gab er dann den dritten Innenverteidiger. Unsere fehlende defensive Stabilität im 4-1-4-1 kam m.E. eher daher, dass Weigl in der Defensive kaum zu gebrauchen ist.
Was ich also sagen will, ist: Ich glaube, dass unser 3-2-4-1 oder wie man es nennen mag defensiv nur unwesentlich stabiler ist als unser altes 4-1-4-1, bzw dass die neue Stabilität nicht auf die Formationsänderung, sondern auf die weniger risikoorientierte Spielweise zurückzuführen ist. Heißt: Die Formation bietet in der Defensive keine großen Vorteile.

Zweite These: Die Formation, die wir aktuell spielen, KILLT uns in der Offensive, und hier liegt es tatsächlich an der Formation - weshalb?

1. Wir haben hinten konsequent drei Innenverteidiger - dadurch haben wir schlicht einen Spieler weniger in der Linie weiter vorne. Stell dir mal kurz bildlich vor, wie die Hertha stattdessen stünde, wenn Passlack 10-15 Meter weiter vorne wäre, statt auf einer Linie mit den anderen zwei Innenverteidigern. Das wäre dazu führen, dass ein Hertha-Manndecker sowohl weiter außen steht als auch tiefer in seiner eigenen Hälfte. Dies würde einen Spieler wegziehen vom Mittelfeld. Dieser deckt nämlich in dieser Formation nicht nur Passlack und seine Passwege, sondern er hat auch Weigl im Deckungsschatten.

2. Wir haben keine Breite in der eigenen Hälfte - das mit Abstand größte Problem. Wie schon vorher gesagt - dadurch, dass die Abstände zwischen Innenverteidigern und Außenstürmern so groß ist, haben wir faktisch nur die Passwege zu den Mittelfeldspielern. Egal, ob der linke, der mittlere oder der rechte Innenverteidiger den Ball hat - er ist gezwungen, in die Mitte zu spielen. Ansonsten können wir den Ball nur zwischen den Innenverteidigern halten. Folge: Der Gegner stellt 3-4 Mann ins Zentrum, blockt damit das Mittelfeld, und wir können gar nichts machen. Und das geht dann auch ausnahmslos so, das war ja auch gestern so bis zur 60., wo wir keine richtige Torchance hatten.

Für mich ist im modernen Fußball Fakt: Man benötigt Breite bzw Optionen (das ist das eigentlich wichtige) im Aufbauspiel. Man darf sich nicht selbst einen Flaschenhals bilden, den der Gegner zustellt und dann wars das. Jeder Spieler muss im Aufbauspiel mindestens zwei Anspielstationen weiter vorne haben, die in anderen Richtungen liegen - nur dann kann der Gegner uns nicht mit minimalem Aufwand decken. Das haben wir aktuell nicht, weil die ZMs relativ nah bei einander sind und jeweils ein Gegner immer beide Passwege zustellen kann.

Hätten wir zwei Außenverteidiger, die im Aufbauspiel nicht so hoch stehen wie Schmelzer und Pulisic gestern, dann müsste die Hertha einen unglaublichen Aufwand betreiben, um alle Passwege in die gegnerische Hälfte abzudecken. Das würden sie über 90 Minuten niemals schaffen. Und da wir dann genug Spieler nahe unserer eigenen Hälfte hätten, bräuchten wir auch keine 3 Innenverteidiger hinten zur Absicherung.

Heißt also: Wir brauchen Tiefe im Aufbauspiel, um nicht zu ersticken. Unser Aufbauspiel kann aber nur durchs Zentrum laufen, was uns das Spiel ruiniert.

3. In der Offensive ist das Zentrum Trumpf. Man will den Ball idealerweise im Zentrum, oder wenigstens in den Halbräumen - weil man von dort sich in mehrere Richtungen entwickeln kann, näher am Tor ist, und mit einem besseren Winkel zum Tor steht.

Wir haben in diesem Spiel mit der Dreierkette meist nur einen Spieler, der das Zentrum besetzt, und dafür überbesetzte Flügel. Selbst wenn wir den Ball also nach vorne kriegen, stehen wir nicht ideal, wir kriegen den Ball nicht in gefährliche Räume und zwingen uns dank Formation dazu, in Dribblings gehen und Flanken zu müssen. Sonst haben wir keine Wahl. Heißt: Wir brauchen in der Offensive mehr Präsenz im Zentrum.

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tl;dr: Im modernen Fußball braucht man möglichst viele Optionen (Breite!) im Spielaufbau (=> Außenverteidiger, egal ob offensiver oder defensiver Ausprägung), und möglichst viel Präsenz im Zentrum in der gegnerischen Hälfte. Unsere Formation bietet uns gar keine Breite im Spielaufbau und keine Zentrumspräsenz im Angriff.

Das 4-1-4-1 aus der letzten Hinrunde kann auch defensiv klappen, wenn wir es ausgewogener Spielen würden - beispielsweise, wenn nur der ballferne AV aufrückt, oder wenn einer der Flügelspieler den Flügel hält und dadurch ein AV hinten bleiben kann, etc. Das liegt daran, dass im 4-1-4-1 die von der Formation vorgegebene Struktur, Passwege etc grundsätzlich sehr gut sind.
Das 3-2-3-2 kann offensiv nicht klappen, weil es unausgewogen ist und zu viele basics falsch macht.