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Höcke (Politik)

Ulrich, Dienstag, 03.10.2023, 21:23 (vor 814 Tagen) @ Habakuk

Man sollte auch dabei nicht vergessen, dass die DDR selbst ein ziemlich nationalistischer Staat war. Man propagierte zwar den Antifaschismus als Staatsdoktrin, aber sowas wie eine gesellschaftliche Aufarbeitung der Vergangenheit wie sie in der BRD ab Ende der 1960er bis weit in die 1980er stattfand, hat es in der DDR nie gegeben. Während in der BRD nach und nach alles auf den Tisch kam, Politiker, Behörden, Unternehmen, Verwaltungen, gesellschaftliche Multiplikatoren, Organisationen, etc. pp. durchleuchtet und auf Nazi-Vergangenheit abgeklopft wurden, gab es all das in der DDR nicht.


Ich war vor kurzem in einer Ausstellung, in der der Nationalsozialismus auf dem westfälischen Lande dokumentiert wurde, aber auch der Umgang mit den Folgen der Diktatur in der jungen BRD. Die sogenannte Entnazifizierung hat in weiten Teilen überhaupt nicht stattgefunden. Am Ende saßen die gleichen Personen wieder auf den Richterstühlen oder in politischen und administrativen Positionen. Für viele Opfer des Nationalsozialismus war das oft eine unerträgliche Demütigung. Auf keinen Fall kam damals "alles auf den Tisch".

Bei uns im Ort war der Nazi-Bürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang für die FDP im Gemeinderat und zeitweise auch stellvertretender Bürgermeister. Im Zweiten Weltkrieg hatte er einem meiner Urgroßväter gedroht, ihn einsperren zu lassen. Der hatte im eigenen Haus auf "Heil Hitler!" mit "Bi us het dat Dagestied!" ("Bei uns heißt das Tageszeit" im Sinne von Moin, Naumde, etc.) geantwortet. Daraufhin "Heil Hitler!" - "Dagestied" - u.s.w. mit ansteigender Lautstärke. Mein Urgroßvater war damals über Achtzig. Und auf Hundert. Geschützt hat ihn nur sein Alter.

Bei meinem Vater und seinen Brüdern, die damals noch Kinder waren, hat das einen tiefen Eindruck hinterlassen. Mein Vater ist als Erwachsener noch einmal an den Mann geraten. Der hatte ihn angemacht, weil mein Vater mit seinem Auto angeblich einen Weg blockiert haben sollte. War wohl Unsinn. Und als mein Vater sich ihm namentlich vorstellte, hat der Ex-Nazi schlagartig die Flucht angetreten. Der wusste ganz genau, was er sich geleistet hatte.


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