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Ich kann damit Null anfangen (BVB)

stfn84, Köln, Mittwoch, 31.05.2023, 20:17 (vor 333 Tagen) @ FranzBinder
bearbeitet von stfn84, Mittwoch, 31.05.2023, 20:34

Die Wahrnehmung des Status Quo und der Situation am Samstag ist natürlich auch subjektiven Einflüssen unterworfen. Ich kann dem Beitrag wenig abgewinnen.

In Dortmund gibt es den BVB. Der Verein stiftet Sinn, verbindet Menschen und ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner. Borussia ist Kultur und Identität und die große Welt der Emotionen. Das ist alles wunderbar.
Und gleichzeitig ist es schlecht. Denn der Aspekt, dass die erste Herrenmannschaft aus wirklich sehr gut bezahlten Profi-Fußballern besteht, die im Training und im Spiel ihrem Beruf nachgehen, kommt dabei unter die Räder. Bundesliga-Fußball ist Hochleistungssport. Es geht um Körperlichkeit, um Mentalität und um pure, nackte Ergebnisse.

Dieses Miteinander ist doch der Kern des BVB. Gleichzeitig streben wir seit ewigen Zeiten nach Erfolg, der uns gelingt. Nur eben nicht immer in der Spitze. Und es gibt dann eben Rückschläge wie Samstag, die man ad hoc nicht wirklich zu erklären vermag.

Was denn das Thema der "sehr gut[en]" Bezahlung damit zu tun hat ist mir nicht bewusst. Fußballer verdienen viel zu viel Geld. Aber das Geld ist eben im Fußball. Soll der BVB das Geld einfach spenden, um einen sozialen Ausgleich in Deutschland hinzubekommen?

Als wir vier Finals in Serie verloren haben, haben Fans und Verein einen neuen Markenkern entdeckt: „Nicht so wie ihr“, wollten wir sein, was zusammengefasst heißen sollte: Die Bayern mögen immer gewinnen, aber wir sind die Sympathieträger. Wir sind anders. Wir zeigen in der Niederlage unsere wahre Größe.

Habe ich immer anders wahrgenommen. Wir zeigen nicht unsere wahre Größe als guter Verlierer, sondern für uns ist Fußball mehr als zu gewinnen.
Wenn das für einen BVB Fan nicht mehr gelten soll, wird man eben in Zukunft noch deutlich größere Schwierigkeiten haben. Aber dann ist dieser Club womöglich nicht mehr der, den man mit der Ambition alles gewinnen zu wollen und zu können verbinden sollte.
Die Bayern haben hinsichtlich Personaletat in etwa den Vorsprung zu uns wie wir vor dem VfL Wolfsburg oder Eintracht Frankfurt (nominell) oder prozentual eben ggü. Bayer Leverkusen. Mir wäre jetzt nicht bekannt, dass eine dieser drei Mannschaften in den letzten Jahren dauerhaft erfolgreicher gewesen wäre.

Ich fürchte nur, dass wir den Umgang mit Niederlagen dermaßen kultivieren, dass uns Siege gar nicht mehr so erstrebenswert erscheinen. Im Leistungssport ist das fatal.

Ich würde es verstehen, wenn wir eine Situation wie Samstag oder verlorene Finals so einordnen würden wie der SC Freiburg das letztjährige Pokalfinale, vollkommen zurecht übrigens, für sich einordnete. Das ist aber beim BVB wohl kaum der Fall. Wir sind ambitioniert. Aber in der Rückrunde, die an sich sehr gut war, haben wir es eben nicht durchgebracht.

Drei nicht verteidigte Tabellenführungen, in München (Kobels Patzer), Bochum (Stegemann) und nun eben gegen Mainz. Bitter. Aber eben in sich erklärbar.

Ich habe am Samstag eine unsichere Mannschaft auf dem Platz gesehen. Das Spiel beginnt. Die ersten Aktionen wollen nicht gelingen. Marius Wolf kann keinen Ball mehr annehmen. Wir sind defensiv vogelwild und offensiv auf den sicheren Ball, ohne viel Bewegung, bedacht. Dann kommt ein Gegentor nach einer Ecke. Passiert. Hilft aber eben auch nicht.
Der Elfmeter. Haller lässt sich von Dahmen locken, verschießt wider Erwarten. Bitter. Das arbeitet. Vor allem, wenn man wenige Augenblicke später ein lächerliches zweites Gegentor fressen muss.
Und dann steht man da, in einer Ausnahmesituation, mit dem Gefühl es gelänge einem Nichts. Die Tribünen geschockt. Und es dauert viel zu lange, bis endlich die erste wirklich gelungene Aktion zu einem Tor führt. Aber da ist es schon zu spät die benötigte Sicherheit zurück zu erlangen.
Zudem hatte man einfach auch viel Pech.
Der zweite, nicht gegebene Elfmeter nach Bodycheck gegen Guerreiro. Knapp verpasste Chancen. xGoals >4, aber real eben erst ein zweites Tor zum Ende der Nachspielzeit.

Bitter. Maximal ärgerlich. Die Chance kommt nicht so schnell wieder. Aber eben auch erklärbar.

Auch wenn ich auch während des Spiels schon im Block vernahm, dass "diese Millionäre" doch jetzt endlich mal liefern müssten. Könnte ja nicht so schwer sein.
Während sich dann beim Elfmeter von Haller dann Fans wegdrehen, weil sie diese Ausnahmesituation nicht ertragen.
Weil andere Fans seit Dienstag schon schlecht geschlafen haben, weil alles so aufregend ist. Der ein oder andere hatte nach anfänglicher Euphorie zur Wochenmitte nur noch panische Angst "Was, wenn wir es nicht schaffen". Aber klar - ein Profifußballer darf keine Emotion haben.

Mich hat das Spiel ein stückweit an die ersten 25 Minuten im CL Finale 2013 erinnert. An die Bayern. Diese Monster. Diese Maschinen. Und wie sie ängstlich über den Platz trotteten. Die nicht verwandelten Chancen von uns - dazu das Zweikampfverhalten von Martinez. Und schon bekam man mehr Sicherheit, kämpfte sich ins Spiel.
Uns gelang dies auch. Nur leider hatten wir, im Gegensatz zu den Bayern 2013, eben auch schon zwei Gegentore gefressen...

Mir missfällt es, dass man der Mannschaft Ehrgeiz abspricht. Nach diesem Kalenderjahr. Das ist für mich schlichtweg unverschämt.
Es ist objektiv gesehen eine sehr gute Rückrunde. Ich habe kaum jemanden erlebt, der am Samstag/Sonntag davon sprach, dass das doch alles ein riesiger Erfolg und schon so in Ordnung gewesen sei. Man muss aber ja nun nicht komplett alles niederbrennen, weil man in einem Bundesligafinale versagte.
1995 und 2002 war der Fußballgott auf unserer Seite. Samstag nicht. Das wird mich noch lange mitnehmen, lässt mich aber nicht am Leistungsgedanken des BVB zweifeln. Dafür habe ich 0 Anzeichen.

„Und wenn du das Spiel verlierst… steh‘n wir hier und sing‘ Borussia…“ So sympathisch dieser Gesang auch ist, so fatal finde ich seine Wirkung. Klar, wir singen für uns, für den Verein. Aber wir singen zu den Spielern und suggerieren ihnen, dass es egal ist, was sie machen.

So erleben es die Spieler ja offensichtlich nicht. Und letztlich ist dieser textliche Treueschwur natürlich überspitzt.

Ich hätte es für sehr angebracht gehalten, die Truppe nach Abpfiff erst einmal gründlich durchzubeschimpfen, allein schon zum eigenen Frustabbau. Denn auch das sind Emotionen, die den Fußball ausmachen. Als Fan am letzten Spieltag hast du nicht viele Möglichkeiten, deine Meinung zu äußern oder mit dem Team zu kommunizieren. Dann muss das eben in komprimierter Form geschehen. Erst schimpfen, sich ärgern, vor Wut toben. Und dann, nachdem alle mal ordentlich durchgeschnauft haben, die Mannschaft aufbauen.

Kann man so sehen.
Halte ich persönlich aber für den komplett falschen Ansatz.
Wenn mein Kind ein Glas runter wirft, schnauze ich es auch nicht fünf Minuten an um es danach in den Arm zu nehmen.

Leistungssteigerung durch Angst? Kann im Einzelfall sogar klappen, dürfte heutzutage aber wohl kaum förderlich sein.

Für mich ist Fußball wichtig um Emotionen auszuleben. Die eigenen Spieler "durchzubeschimpfen" gehört allerdings nie dazu. Aber: Jeder Jeck ist anders.

Kurzum: Ich erlebe überhaupt keine Scheißegalheit. Der BVB ist auf Erfolg ausgerichtet. Wir haben ja hier keine Thekenmannschaft mit unbegrenztem Sauf-Budget, sondern eine Mannschaft, die in der letzten Dekade zwei Pokalsiege holte und zwei Mal dem Bundesliga-Titel sehr sehr nahe war. Wenn das kein Leistungssport mehr ist, sollte man Silber- und Bronzemedaillen im Sport einschweißen und durch Dornenkronen ersetzen.


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