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Neues AÜG seit April 2017: Ist das wirklich so gewollt? (Sonstiges)

AlanShoreHB, Dienstag, 16.01.2018, 09:44 (vor 2286 Tagen)

Zu allererst die (nicht nur im Internet) beliebte Einleitung: Ich frage für einen Freund, mit dem ich mich am Wochenende seit längerem mal wieder unterhalten habe.
Hier tummelt sich ja meiner Erfahrung nach ein hübscher Querschnitt der Gesellschaft und somit kann mir der ein oder andere ja vielleicht ein Feedback geben, ob ich bzw. mein Freund die Situation korrekt einschätzt, denn ehrlich gesagt wüsste ich nicht, wenn ich dahingehend befragen sollte.

Zur Erklärung:
Die (neue) rechtliche Situation:
Im April 2017 wurde das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, kurz AÜG, beschlossen. Seitdem darf eine Zeitarbeitsfirma (der Verleiher) seine Arbeitnehmer (die Zeitarbeiter) dem Entleiher nur noch für höchstens 18 Monate überlassen. Erst nach einer dreimonatigen Pause darf der Arbeitnehmer erneut im selben Unternehmen arbeiten.

Aktuelle Situation:
Mein Freund arbeitet seit 2011 als Fahrer und Fahrzeugpfleger für eine Zeitarbeitsfirma, die Arbeitskräfte an einen sehr bekannten Fahrzeugvermieter (Hinweis: klingt so ähnlich wie das englische Wort für "Sechs" und Europcar ist es nicht) verleihen.
Er ist Mitte 40, verheiratet, 2 Kinder, hat keine qualifizierte Berufsausbildung und ist mit dem schmalen, aber ausreichenden Gehalt seit 2011 für seine Verhältnisse sehr glücklich:
- Die Zeitarbeitsfirma zahlt über Mindestlohn (fast 10€/Stunde für eine Tätigkeit, deren Einarbeitung nur ca. 4 Stunden benötigt und die jedem komplett ungelernt möglich ist) und stets pünktlich.
- Überstunden sowie Feiertagszuschlag werden gezahlt.
- Die Stimmung in der Filiale ist gut, sowohl zwischen Fahrern als auch im Verhältnis zum Stamm-Personal des Entleihers.
- Urlaubstage und Krankheitstage werden korrekt be- und abgerechnet. Das ist wohl nicht selbstverständlich in der Zeitarbeits-Branche.

Das neue AÜG:
Da eine Zeitarbeitsfirma die Arbeitskräfte nur noch für 18 Monate an einen Kunden (Entleiher) verleihen darf, wäre im Oktober 2018 nach mehr als 7 Jahren Schluss für meinen Freund als Arbeitnehmer bei diesem Entleiher, also der Autovermietung. Er würde Kollegen und somit auch soziale Kontakte und einen geregelten Tagesablauf verlieren, ganz zu schweigen vom Arbeitsplatz und dem Gehalt.

Möglichkeiten:
Nach einer dreimonatigen Pause darf der Arbeitnehmer erneut im selben Unternehmen arbeiten. Bedeutet: Drei Monate Pause, vermutlich keine andere Arbeitsstelle, da sich der Verleiher quasi nur auf die Autovermietung als Kunden konzentriert. Ungewissheit, ob er den Arbeitsplatz nach drei Monaten wieder bekommt, da (wie oben erklärt) quasi absolut jeder diesen Job nach sehr kurzer Einarbeitung durchführen kann.

Ich verstehe, dass die Neuregelung des AÜG dafür sorgen soll, dass Arbeitskräfte in ein "richtiges" Arbeitsverhältnis" beim Entleiher übernommen werden sollen. Das mag auch funktionieren bei (gut) ausgebildeten Arbeitnehmern, die eine Tätigkeit ausüben, die nicht im Niedriglohnsektor liegt und deren Ausübung mehr als 4 Stunden Einarbeitung benötigt.
Für diese sog. niederen Tätigkeiten jedoch gibt es doch absolut keinen Anreiz für den Entleiher, diese (schlecht bzw. gar nicht ausgebildeten) Arbeitskräfte zu übernehmen: der Entleiher holt sich einfach "frische" Zeitarbeiter von der Zeitarbeitsfirma, arbeitet sie kurz ein, und alles geht wie gewohnt weiter.
Der bisher langjährige und zufriedene Arbeitnehmer jedoch verliert alles: Arbeit, Gehalt, soziale Kontakte, Umfeld, und fällt in ein Loch.

Schön natürlich auch, dass die besagte Autovermietung in der Öffentlichkeit immer als großer sozialer Player auftritt, die eigenen Mitarbeiter (sorry, sind ja nur Leiharbeiter) jedoch völlig in der Luft hängen lässt und dort keine soziale Verantwortung übernimmt, sondern alles dem Gewinn unterordnet.

Vermutlich kann man dieses Beispiel auch auf andere Sektoren übernehmen, in denen ungelernte Arbeitnehmer relativ simple Tätigkeiten ausüben.

Meine Frage:
Ist das wirklich so gewollt?
Wo ist der Sinn für den Arbeitnehmer oder die Gesellschaft in diesem konkreten Beispiel?


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