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Zum Thema "Demokratie" (BVB)

Pfostentreffer, Donnerstag, 04.09.2025, 17:46 (vor 104 Tagen) @ Didi

Du hast da schon ein paar gute Punkte angesprochen und Linien gezeichnet.

ich mag es sehr mit dir zu diskutieren. Letztes Mal hast du mir einen kleinen Grundkurs in Schweizer Demokratie gegeben, dieses Mal kann ich vielleicht ein wenig erwidern.


Einigermassen anknüpfend daran: Insgesamt hat sich der Westen seit 1985 ja schon enorm liberal entwickelt.

Grösstenteils stimme ich dir dazu. Für uns Minderheiten zeichneten sich in den 80ern aber durch Reagan und Thatcher schon starke Gegenbewegungen ab, die leider auch heute noch grossen Einfluss haben. Manche würden es sogar noch früher ansetzen, Anfang der 70er wurde bspw. bereits die Heritage Foundation gegründet, die heute extrem grossen Einfluss hat.

Und das haben die Linken ja getrieben und das ist und war ja auch mehrheitsfähig, aber die Schritte sind schon noch enorm: Konkubinate, Homo-Ehe, Adoptionen für gleichgeschlechtliche Paare, erleichterte Einbürgerungen, Rechte für Transsexuelle...

Das sind sie, ohne Frage und ich bin froh, dass es so ist. Wenn du - ausser bei den Konkubinaten, die kenne ich ehrlicherweise nicht besonders gut - mal genauer hinschaust, dann sind das alles Rechte, die Teile der Menschen schon hatten und nun anderen ebenfalls gewährt wurden und jedem der Mehrheitsgesellschaft auch zustehen. Ich sehe nix, wo jemanden dadurch was weggenommen wurde. Was zwangsläufig bedeutet: Privilegien der bestimmenden Gruppe werden geringer. Und da hast Du recht: Das erzeugt eine Gegenbewegung.

<wenn man bedenkt, dass die Homosexuellen davor seit Menschengedenken heimlich leben mussten,
hier muss ich zum ersten Mal gegen halten. Das ist natürlich nicht so. In der Menschheitsgeschichte gab es viele Gesellschaften, bei denen es nicht so war. Erst das Christentum - und das auch nicht im Bezug auf Jesus, der hatte viele Schwule, Eunuchen und Trans Menschen (bei Trans geht es um Geschlechtsidentität, nicht Sexualität) unter seinen Freunden, wie wir aus den jüdischen Aufzeichnungen wissen - hat - grob vereinfacht - die systematische Unterdrückung herbeigeführt.

war und ist das Tempo schon gross.

yep, das war es.

Aber man kann es eben auch genau anders herum sehen. In den letzten Jahrhunderten hat sich daran sehr wenig geändert und die ersten Bewegungen - in dem Fall vor allem die Frauenbewegung - haben endlich etwas gegen den Jahrhunderte andauernden Stillstand getan. Und waren somit die ersten rein identitären Gegenbewegungen der modernen, demokratischen Ära. Und da es vorher Jahrhunderte eben kaum Demokratie im Westen gab, war der "Reform- und Unterdrückungsstau" gewaltig (und die Teilhabe von Frauen sehr gering). Trotzdem gebe ich dir Recht: Nachdem zum Ende des zweiten Weltkriegs allen bewusst wurde, wozu Diskriminierung führt, gab es ein kurzes Zeitfenster, in dem Menschenrechte etc. etabliert wurden (wäre heute absolut unmöglich). Seitdem ist sehr viel sehr schnell passiert.

Dazu noch die Emanzipation, die in den letzten 30 Jahren auch ordentlich in Bewegung ist, wenn man sieht, dass das Familienbild davor über tausende Jahre stabil war.

Die Frauenbewegung ist die älteste Minderheitsbewegung und bereits mindestens 130 Jahre alt, die Erklärung der Rechte der Frau kam bereits 2 Jahre nach der ersten Erklärung der (damaligen) Menschenrechte 1789. Auch hier würde ich ehr sagen, es dauert zu lange als zu kurz. Auch wenn Frauen in Deutschland (und vermutlich auch der Schweiz) heute rechtlich so gut wie gleichgestellt sind, haben sie immer noch gravierende gesellschaftliche Nachteile.


Und plötzlich sind die Frauen dann innerhalb von 25 Jahren gleichwertig und meckern, dass nur 30% die CEO-Positionen abdecken.

Wie gesagt, die Frauenbewegung ist bereits sehr lange dabei und selbst bei 3% CEO's hätten wir einen Fortschritt gegenüber dem aktuellen Status Quo. Das wäre bei DAX Unternehmen exakt eine Frau. Ich glaube nicht, dass wir die aktuell haben oder?

30 % wären 9 Frauen bei Dax CEO's. Aktuell schwer vorstellbar, dass wir das in unserer Lebenszeit sehen werden.


Dass diese Geschwindigkeit nicht nur Gewinner produziert und auch nicht allen gefällt, scheint mir klar und was da heute passiert, ist einfach auch nur Teil des Bumerangs.

Das sehen Menschen die deswegen abgeschoben werden, in den Knast kommen, nicht studieren oder demonstrieren dürfen vielleicht etwas anders, für die bedroht es ihr Leben. Aber darin liegt ja der einer der Hunde begraben glaube ich: Durch die starke Individualisierung und Technisierung gibt es keine gemeinsame Realität mehr, wie man sie vor 30 Jahren noch durch die herkömmlichen Medien hatte.

Und: Was wäre die Alternative?

Weil teilweise schon zu weit geworfen wurde für breite Bevölkerungsschichten. Es muss vielleicht nicht unbedingt auf dem Level "Indianer darf man nicht mehr sagen" agiert werden und vielleicht ist nicht grade jeder Witz einer Frau gegenüber schon Sexismus.

Ich finde genau die Beispiele ein wenig witzig. Ich sage noch Indianer und mache laufend Witze gegenüber Frauen. Noch nie hat mir jemand gesagt, dass ich nicht mehr Indianer sagen darf und noch nie hat mich eine Frau des Sexismus bezichtigt. Ist dir das schon passiert? Aus meiner Sicht ist das eine ziemliche Phantomdebatte und vermutlich auch genau dazu gedacht.

Nichtsdestrotz sehe ich auch, dass der Meinungskorridor enger geworden ist und es in einigen Bereichen vielleicht auch zu eng geworden ist. Das geht aber mindestens von beiden Seiten gleichermassen aus. Wenn man heute noch sagt "Der Klimawandel ist eine riesige Bedrohung" wenden sich tendenziell mehr Menschen mit Augenrollen ab als wenn man Witze über eine vorbeilaufende Frau macht. Falls das der relevante Faktor ist.


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