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Infektionsschutzgesetz: 50er-Inzidenz soll gestrichen werden (Corona)

Lutz09, Tor zum Sauerland, Dienstag, 24.08.2021, 13:31 (vor 977 Tagen) @ majae
bearbeitet von Lutz09, Dienstag, 24.08.2021, 13:47

Die Anzahl der Intensivpatienten steigt seit etwa einem Monat wieder, die Inzidenz ungefähr 3 Wochen früher. Entkoppelt ist das nun wirklich nicht. Dass steigende Infektionszahlen automatisch zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen, lese ich aus Ulrichs Posting nicht direkt raus. Fakt ist aber nun einmal, dass sich die Zahl der Intensivpatienten in dem letzten Monat auf aktuell 775 verdoppelt hat. Wenn wir von 6000 als Belastungsgrenzen ausgehen, haben wir damit also aktuell noch 3 Verdopplungenszyklen. Das erreichen wir beim aktuellen Wachstum noch deutlich vor Weihnachten - und da sind die seit 2 Wochen deutlich schneller steigende Inzidenz und saisonale Effekte noch gar nicht mit berücksichtigt. Ich denke man wird ab dem Herbst nicht um 2G herumkommen.


Also, gestern meldete das DIVI-Register 775 Corona-Infizierte auf den deutschen Intensivstationen. Das waren 41 Prozent mehr als vor einer Woche mit 548. Das ist natürlich nicht so toll. Positiv aber ist, dass dieses Plus deutlich unter dem mittelfristigen Zuwachs der Meldeinzidenzen liegt – zuletzt teilweise +60 Prozent pro Woche.

Deutlicher wird das Abkoppeln beider Indikatoren, wenn man die aktuellen Intensivzahlen mit denen aus der Herbstwelle des vergangenen Jahres vergleicht – und zwar zu dem Zeitpunkt, als die Meldeinzidenzen in etwa identisch mit den heutigen waren: Am 16. Oktober 2020 lag die Zahl der Intensiv-Patienten bundesweit bei 690. Eine Woche später, am 23. Oktober, schon bei 1.121. Ein Zuwachs von 63 Prozent binnen Wochenfrist – was ziemlich genau dem damaligen Trend bei den Inzidenzen entsprach. Warum? Weil es noch keine Impfungen gab. Übrigens lag die 7-Tages-Inzidenz am 16. Oktober 2020 bei 37,2 und am 23. Oktober 2020 bei 60,3. Am 16. August 2021: bei 36,2. Und gestern: bei 56,4. Vergleichbar. Aber die Intensiv-Zahlen liegen inzwischen um mehr als 40 (!) Prozent niedriger als im Vorjahr: 775 versus 1121.

Es bleibt spannend: Zwischen dem 23. und dem 30. Oktober 2020 gab es einen weiteren Sprung von 1121 auf 1839. Wo wir am 30. August 2021 liegen werden? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich niedriger.

Auch in den Bundesländern, in denen die Sommerferien vorbei sind wie Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist zu beobachten, dass die Zahlen viel langsamer steigen oder sogar sinken (Schleswig-Holstein von 49,9 auf 48,1. Hamburg von 78,3 auf 71,4.) im 7-Tages Vergleich.

Nimmt man alle fünf Länder zusammen, dann ergibt sich ein Anstieg um 3,0 Prozent im Vergleich zur Vorwoche – im Vergleich zu 52 Prozent bundesweit. Auch die Meldezahlen der Kinder zwischen 5 und 14 steigen nur noch moderat um 10,0 Prozent, die der Kitakinder um weniger als zwei Prozent. Bei den 15- bis 19-Jährigen gab es sogar einen Rückgang um neun Prozent.

Dann ein Blick auf die Demografie bei den Infektionszahlen: Da wird klar, dass die Impfungen dafür sorgen, dass sich die Älteren viel seltener infizieren – und entsprechend seltener schwer erkranken. Dies zeigt der Vergleich der vergangenen Kalenderwoche mit der Kalenderwoche 42 des vergangenen Jahres (ab 12. Oktober 020, wieder derselbe Zeitraum wie oben), als die Fallzahlen halbwegs vergleichbar waren.
Von den damals gemeldeten 42.005 Neuinfizierten waren 5.241 zwischen 60 und 79 und 1.869 älter als 80.
Vergangene Kalenderwoche: 48.690 Neuinfizierte, davon 2216 zwischen 60 und 79 und 653 über 80.
Noch wichtiger aber ist die Dynamik, weil damals der große Anstieg bei den Älteren noch kam und auch aktuell die Infektionen bei den Älteren wieder stärker zunehmen. Insgesamt betrug das Plus im Wochenvergleich damals bei den 60- bis 79-Jährigen 72 Prozent – zwölf Prozentpunkte über dem Schnitt der Gesamtgesellschaft. In der vergangenen Kalenderwoche waren es 36 Prozent – 21 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtgesellschaft.

Es ist daher anzunehmen, dass sich das Abkoppeln der Intensiv- von den Inzidenzzahlen eher noch verstärken wird, selbst dann, wenn die Meldeinzidenz bei den 30- bis 59-Jährigen noch zunimmt.

Aber klar ist auch, dass die Infektionszahlen trotzdem nicht immer weiter so stark steigen dürfen, da sonst die zusätzlichen Fälle bei den Jüngeren den Puffer bei den Älteren zunichte machen würden. Ob es so kommt und man die Infektionsdynamik einfach so weiter fortschreiben kann, ist alles andere als sicher. Zumal ein Blick in die Bundesländer, in denen die Schule wieder angefangen hat zeigt, dass es so nicht kommen muss.

Ich hab auch nichts gegen 2G einzuwenden. Im Gegenteil. Sollte von mir aus überall dort, wo es möglich ist, zügig eingeführt werden.

Damit sich die Inzidenz von Intensiv-Zahlen weiter abkoppelt und wir entspannter in den Herbst und Winter gehen können, müssen wir vor allem mittelalte und alte Menschen impfen – da sie es sind, die häufiger schwer erkranken. Es wäre gut, wenn sich die Debatte darauf wieder stärker konzentrieren würde, anstatt vor allem über die Impfungen der kaum selbst gefährdeten Kinder und Jugendlichen zu diskutieren.

Ansonsten gebe ich dir Recht mit der Altersabhängigkeit. Eigentlich müsste man einen Gefahrenindikator berechnen, abhängig von der Inzidenz pro Altersgruppe unter Berücksichtigung der dortigen Durchimpfung. In der Praxis stelle ich mir das aber schwierig vor: Man würde eine Formel bekommen, die kein Bürger versteht und bei der am Ende auch keiner weiß, wie zuverlässig sie wirklich ist.

Es ist gar nicht so entscheidend, ob der Bürger das mathematische Modell dahinter durchsteigt. Für ihn ist es nur wichtig zu wissen, wo wir stehen und ab wann es gefährlich wird.

Dazu lagen und liegen meines Wissens ja schon ein paar Ideen auf dem Tisch, unter anderem von RKI.

Eine interessante Alternative zur 7-Tages-Meldeinzidenz, von der ich gelesen habe, ist die Idee zweier Indikatoren.

Einem Pandemie-Indikator und einem Belastungsindikator für Kliniken, die beide unabhängig vom Fallmeldesystem der Gesundheitsämter und somit von der Teststrategie mit Problemen wie Meldeverzug, einer nicht konstanten Erhebungsgrundlage etc. sind.

Der Fokus liegt auf den Erkrankungen und der Belastung des Gesundheitssystems, also der Belastung der Kliniken.

Der Pandemie-Indikator legt den Fokus dabei auf die tatsächlich an COVID-19 ernsthaft erkrankten, hospitalisiert Personen mit Lungenentzündung und hohem Fieber und positivem COVID-Test.

Der Belastungs-Indikator bezieht auch Patienten mit ein, die nicht an COVID-19 erkrankt sind. Weil sich durch diese Patienten zusätzliche Aufwände für die jeweilige Klink ergeben, denn Test-Positive mit asymptomatischer Infektion werden von nicht-infizierten Patienten getrennt, um letztere vor Infektion zu schützen. Und es auch passieren kann, dass diese noch Symptome entwickeln und ggf. wegen COVID-19 behandelt werden müssen. Und: Personen mit schwerwiegenden Verläufen anderer Atemwegsinfektionen können ggf. mit COVID-19-Patienten um einen Behandlungsplatz „konkurrieren“ z.B. wg. bakterielle Lungenentzündung, Influenza, RSV.

Die meisten Daten werden sowieso bei jeder Hospitalisierung erfasst. DIMDi

Alternativ könnte ein Meldesystem mit einem einfachen Online-Eingabeformular eingerichtet werden, in dem folgende Daten von der Klinik eingetragen werden:

Altersgruppe, Geschlecht der eingelieferten Person, Standort der Klinik (Landkreis und/oder PLZ) - Haupt- und ggf. Nebendiagnose - Impfstatus (nicht, teilweise, voll)

Damit hätte man anstatt der ganzen meldebasierten Indikatoren (neben 7-Tage-Inzidenz auch die eff. Reproduktionszahl R_t) zwei Indikatoren, die sich auf Erkrankungen und damit verbundene Belastungen des Gesundheitssystems beziehen.

Und: wir hätten, wenn z.B. die (5-stellige) PLZ des Wohnortes der Patienten erfasst wird, zugleich auch eine genauere räumliche Auflösung der Krankheitslast.

Wie gesagt, das ist nur ein Vorschlag. tbd ;)


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