schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
A- A+
schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
Startseite | FAQ | schwatzgelb.de unterstützen
Login | Registrieren

Ein Jahr Krieg in der Ukraine (Politik)

Ulrich, Sonntag, 05.03.2023, 10:52 (vor 416 Tagen) @ HoschUn

Man muss nach einem Jahr Krieg schon fragen wohin die Reise gehen soll, insoweit ist zumindest diese Frage von einigen Demo-Teilnehmern schon berechtigt.

Unfug. Hinter den Demonstrationen steht die komplett irrwitzige These, dass der Westen für die Fortdauer des Krieges verantwortlich sei. Der würde Friedensverhandlungen verhindern. Man müsse nur mit Putin reden, dann würde der die Kampfhandlungen schon einstellen.


Die USA, als bisher wichtigster Unterstützer der Ukraine, hat kein Interesse an einem schnellen Frieden und ist eher bereit die militärische Entwicklung abzuwarten und auch einen langen Stellvertreterkrieg bzw Abnutzungskrieg zu akzeptieren. Die EU-Staaten haben ein größeres Interesse daran eine langfristige Balance mit Russland zu finden und die Situation in der Ukraine in eine belastbare Nachkriegsordnung zu überführen.

Das ist eine Behauptung ohne den Hauch eines Belegs. Die USA wollten diesen Krieg nicht, den wollte ganz alleine Wladimir Putin. Er wurde der Welt von Russland aufgezwungen. Die USA wissen aber einerseits ganz genau, dass die Ukraine nur der erste Staat auf Putins Liste ist und andererseits, dass Russland die nach den USA selbst die zweitgrößte Atommacht der Erde ist. Beides bestimmt das Handeln der USA.

Ich setze dem die These entgegen, dass die USA den Krieg zwar gerne schnell beenden würden. Dass sie aber die Befürchtung haben, eine zu starke Unterstützung der Ukraine könne Putin zu komplett irrationalen Reaktionen provozieren. Zu Sabotageaktionen gegen westliche Infrastruktur, zu False-Flag-Aktionen mit Chemie- oder Biowaffen, ggf. sogar den Einsatz von taktischen Atomwaffen. Und zudem stellt sich die Frage nach der Stabilität von Russland selbst, sollte Putin über eine krachende Niederlage stürzen.


Die USA als auch die europäischen Partner sind sich einig darin, dass Russland keine territorialen oder strategischen Vorteile durch den Angriffskrieg erreichen darf, aber was dieses militärische Minimalziel übersetzt in eine diplomatische Verhandlungsbasis bedeutet, darüber gibt es keine Einigkeit in der NATO.

Die Reise von Scholz nach Washington versucht dieses Problem zu adressieren. Die USA haben ein vitales Interesse daran, dass Russland in einem dauerhaften militärischen Konflikt seine Ressourcen erschöpft, während Europa ein Interesse an einer klar definierten neuen Sicherheitsordnung in Europa mit Russland als potenziell feindlichen aber verlässlich eingehegten Nachbar hat.

Auch die USA können kein Interesse an einem für lange Zeit schwelenden Konflikt mit Russland haben. Sie hatten sich eigentlich auf einen Konflikt mit China vorbereitet und wurden genau so wie der Rest der NATO und die EU von der russischen Invasion in der Ukraine überrascht. Die USA wollen mit Sicherheit mittelfristig den Rücken frei haben, um nicht in eine Zwei-Fronten-Auseinandersetzung zu rutschen.

Die entscheidende Frage sowohl für die USA als auch für die EU ist, wie kann man sicherstellen, dass Russland sich weder zur komplett irrationalen Reaktionen in Richtung Westen hinreißen lässt noch kollabiert und ins komplette Chaos abstürzt. Eine Atommacht, die von Machtkämpfen z.B. zwischen Militärs, Geheimdienstlern und Oligarchen zerrissen wird, und bei der niemand weiß, wer letztendlich die Atomwaffen kontrolliert, das wäre der ultimative Alptraum.


Diese unterschiedlichen strategischen Zielvorstellungen auf einen Nenner zu bringen ist insbesondere auch eine deutsche Aufgabe in Europa. Es wird ein Lackmustest für die sicherheitspolitische Zukunft, ob es Europa gelingt sein Interesse nach zeitnaher Stabilität und Frieden gegenüber den USA durchzusetzen. Große Hoffnung darf man aus meiner Sicht nicht haben. Es gibt keine europäische Antwort auf diesen Konflikt, der über eine kurzfristige Reaktion auf von Russland geschaffene Tatsachen hinaus geht.

Nicht die Zielvorstellungen sind unterschiedlich. Es sind eher die Befürchtungen in Richtung Russland. Und die sind auch innerhalb der EU zwischen den westlichen und einem Teil der östlichen Staaten sehr unterschiedlich.


Antworten auf diesen Eintrag:



gesamter Thread:


1233302 Einträge in 13679 Threads, 13776 registrierte Benutzer Forumszeit: 24.04.2024, 19:31
RSS Einträge  RSS Threads | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Forumsregeln