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3 Monate Krieg in der Ukraine - Tendenz abesehbar wer gewinnt? (Politik)

Goalgetter1990, Freitag, 03.06.2022, 11:40 (vor 694 Tagen) @ Blarry

An der Stelle muss man ausholen und definieren, was die strategischen Ziele Russlands und der Ukraine sind, die wiederum definieren, welcher Endzustand für jede Kriegspartei als Sieg oder Niederlage gewertet werden kann.

Minimales Kriegsziel Russlands war die Übernahme und Sicherung der bereits vor dem Krieg umkämpften Gebiete um Luhansk, weiterhin die Installation eines Marionettenregimes in Kiew. Für die Ukraine, als militärisch völlig unterlegener Partei, ist das einzige Ziel das Überleben als souveräner Staat*.

Nehmen wir an, der Krieg würde heute, Punkt 12 Uhr, beendet. Dann hätte die Ukraine ihr Kriegsziel im Großen und Ganzen erreicht, abzüglich einer kleinerer Ländereien im Osten und Süden. Russland hätte mit diesen Ländereien wiederum nur sein (auf dem Papier) Mindestziel eingenommen. Da ein Krieg aber in den seltensten Fällen die Mini Playback Show ist, wo alle Teilnehmer auch Sieger sind, lohnt ein Blick aufs "Big Picture" und den Gesamtkontext. Da ist die Ukraine nämlich neuerdings ins internationale Bündnissystem integriert und bis Oberkante Unterlippe mit Waffenlieferungen und monetärer Hilfe vollgestopft. Währenddessen ist Russland politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell isoliert, in einem Ausmaß und einer Konsequenz, die im Prinzip nur noch ein innerer Machtwechsel rückgängig machen kann. Und auf der Ebene gibt es dann keine mehr Zweifel darüber, "wer gewinnt".

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* was ich an der Stelle jedem Interessierten ans Herz legen kann, ist der großartige Blog "A Collection of Unmitigated Pedantry". Dort gibt es zum Beispiel eine Ausarbeitung über den Ukrainekrieg im Kontext der Theorie über den Guerrillakrieg nach Mao Zedong, und wie die Situation und tatsächliche Kriegsführung der Ukraine einfach bilderbuchmäßig in Maos Modell reinpasst. Sehr lesenswert.

https://acoup.blog/2022/03/03/collections-how-the-weak-can-win-a-primer-on-protracted-war/

Anfang des Krieges hätten dir auch in der Ukraine da vermutlich die meisten Recht gegeben, was das Kriegsziel angeht. Das Kriegsziel der Ukraine - nach allem was passiert ist - hat sich was das angeht allerdings grundlegend und teilweise fundamental geändert (auch wenn das teilweise in Deutschland nicht allen bewusst ist). Das Ziel ist eben nicht mehr nur das Überleben als souveräner Staat. Kriegsziele sind aktuell:
1. Überleben als souveräner Staat.
2. Klare militärische Niederlage Russlands, um Ziel 1 nachhaltig zu erhalten.
3. Langfristige Sicherheitsgarantien oder Aufnahme in ein Militärbündnis.
4. Keine Kompromisse in Fragen der territorialen Integrität des Staates.

Insbesondere den letzten Punkt sollten wir hier in Deutschland nicht vergessen, da das ja gerne schnell als Einwurf für einen Vorschlag für Frieden genutzt wird. Heute wurde hier die erste Umfrage seit Kriegsbeginn veröffentlicht, unter welchem Bedingungen die Ukrainer für einen Frieden bereit wären. Die Ergebnisse sind relativ eindeutig. Keine territorialen Kompromisse mit Russland: https://twitter.com/EuromaidanPress/status/1532625212541390849/photo/1

Eine ukrainische Regierung, die den letzten Punkt gegen den Willen des Volkes aufgibt, wäre relativ schnell nicht mehr an der Regierung. Würde der Krieg heute um 12 Uhr inklusive Aufgabe aller besetzten Gebiete beendet werden, wäre Selenskyi ein toter Mann und der Krieg würde in wenigen Wochen weitergehen.


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