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USA peilen großes Kernkraft-Comeback an (Politik)

Ulrich, Donnerstag, 20.06.2024, 12:33 (vor 80 Tagen) @ Will Kane

Ich pack's mal hier mit rein. Interessant. Was wissen wir, was die Amis nicht wissen?

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/usa-wollen-grosses-kernkraft-comeback-genehmigung-soll-beschleunigt-werden-19800349.html


Na ja, es sind ja nicht nur die USA.

Letztes Jahr hat die französische Nationalversammlung der Modernisierung und dem weiteren Ausbau der Kernenergie zugestimmt. Relation ca. 400 Stimmen dafür, ca. 100 dagegen.

Reines Wunschdenken. Der französische AKW-Park überaltert massiv. Die EDF musste in einer Notaktion von der Börse genommen und verstaatlicht werden, ansonsten wäre sie in die Insolvenz geraten. Aktuell liegen die Schulden wohl bei 54 Milliarden, und das dürfte noch massiv geschönt sein. Rücklagen für den Rückbau von AKW gibt es nicht, der einzige in Frankreich selbst im Bau befindliche Reaktor in Flamanville entwickelt sich zum absoluten Desaster. Der französische Rechnungshof bezifferte die bis zum damaligen Zeitpunkt aufgelaufenen Kosten bereits 2022 auf 19 Milliarden Euro, das liegt deutlich über den von Seiten der EDF genannten Summen. Der Reaktordeckel ist fehlerhaft, im letzten Jahr war geplant worden, den Reaktor im Herbst 2023 in Betrieb zu nehmen, einen Winter laufen zu lassen, ihn dann wieder herunterzufahren und in diesem Jahr den Deckel tauschen zu lassen. Davon hat man wohl Abstand genommen. Jetzt soll der Reaktor diesen Sommer erstmals ans Netz gehen, mit zwölf Jahren Verzögerung und wohl auch mit dem mangelhaften Reaktordruckbehälter.


Großbritannien setzt ebenfalls weiterhin auf Kernkraft, auch auf den Ausbau. Länder wie Belgien oder Schweden haben die Laufzeiten ihrer Kernkraftwerke verlängert. Polen setzt beim Ausstieg aus der Kohle auch auf Kernkraft, Ungarn baut weiter aus.

Der britische Reaktorpark ist deutlich überaltert, Anfang dieses Jahres waren von neun Reaktoren sechs nicht am Netz. Sechs weitere Blöcke sind in den letzten Jahren dauerhaft stillgelegt worden. Im Bau befinden sich zwei Reaktorblöcke in Hinkley Point. Errichtet werden sie von der EDF. Ursprünglich war ein chinesischer Partner an Bord, der nutzte dann aber eine Ausstiegsklausel wegen exorbitanter Preissteigerungen. Aktuell geht man davon aus, dass beide Reaktoren zusammen 54 Milliarden Euro kosten werden. Aber ob das tatsächlich das Ende der Fahnenstange ist?

Die Verlängerung der Laufzeiten in Schweden und Belgien erfolgte notgedrungen und mit "Bauchschmerzen". In Schweden gab es zeitweise angebliche Pläne für den Reaktorneubau, aber die sind schnell wieder kassiert worden. Neubauten sind schlicht nicht mehr finanzierbar.

Die Pläne in Polen gehen auf die PiS-Regierung zurück. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass die aktuelle Regierung sie tatsächlich realisieren wird. Die PiS hatte die Reaktoren von Westinhouse erreichten lassen. Dieses Unternehmen hatte in den USA eine krachende Pleite hingelegt, mehrere dort in Planung bzw. Bau befindliche Reaktoren wurden nie fertiggestellt, die Westinghouse-Mutter Toshiba wurde beinahe mit in die Pleite gerissen. Seitdem hat Westinghouse nochmals deutlich an Knowhow verloren. Es erscheint ausgesprochen zweifelhaft, dass sie solche Projekte tatsächlich realisieren können.

Von China oder Russland ganz zu schweigen.

China und Russland sind einerseits Atommächte. Sie benötigen spaltbares Material für ihre Atomwaffen. Andererseits nimmt man dort deutlich weniger Rücksicht auf Sicherheitsaspekte als in westlichen Ländern.

China baut übrigens aktuell die Erneuerbaren deutlich stärker aus als die Nuklearindustrie.


Interessantes zu dem Thema aus dem ölteppichgroßen Saarland.

Seit geraumer Zeit gehörte es zur Pflicht eines jeden Ministerpräsidenten, ob nun von der SPD oder der CDU gestellt, bei Amtsantritt von den französischen Nachbarn das schnellstmögliche Abschalten des nahegelegenen störanfälligen Kernkraftwerk Cattenom zu fordern und spätestens zur Mitte einer Legislaturperiode diese Forderung zu erneuern.

Cattenom ist eine tickende Zeitbombe. Erst letztens hat es im nicht nuklearen Teil des Reaktors gebrannt.


Allerdings wurde dabei nie auch nur mit einem Wort die direkte Stromleitung aus dem Kernkraftwerk Cattenom ins Saarland erwähnt. So als Zeichen des Protestes hätte man ja diese Leitung einfach stillegen können. Hat man aber nicht.

Frankreich exportiert schon seit vielen Jahren zu niedrigen Preisen Strom nach Deutschland, wenn die Nachfrage niedrig ist. Das liegt daran, dass man AKW anders als z.B. Kohlekraftwerke nicht einfach herunter fahren kann, wenn die elektrische Energie eigentlich nicht benötigt wird. In Zeiten hoher Nachfrage hingegen importiert man teuren Strom aus Deutschland. Auch dafür dienen solche Leitungen. Im Jahr 2022/2023 stand das französische Stromnetz kurz vor dem Zusammenbruch. Es waren sogar Stromabschaltungen geplant, die auch kommuniziert wurden. Ursache war der Ausfall von Reaktoren, bei denen bei regelmäßig durchgeführten Überprüfungen Haarrisse im Bereich der Notkühlungseinspeisungen festgestellt worden waren. Zusätzliche Probleme bekam man, weil die damalige Dürre dazu führte, dass eigentlich funktionsfähige AKW nicht einmal mehr gekühlt werden konnten.


Nun wurde noch zu Zeiten der Großen Koalition im Saarland vor nicht allzu langer Zeit der Beschluss gefasst, die saarländische Stahlindustrie, die immer noch ein wichtiger Arbeitgeber ist, im Zusammenhang mit der Diskussion um den Kohlenstoffdioxidausstoß mittels Wasserstofftechnologie zukunftsfähig zu machen. Der dafür benötigte Strom soll dabei aus Alternativen Energien stammen und nicht aus herkömmlicher Stromproduktion, damit es am Ende ‚grünen‘ und keinen ‚blauen‘ Stahl gibt.

Frankreich baut mittlerweile still und heimlich die Offshore-Windkraft ganz massiv aus. Darüber redet man aber nur ungern.


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