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Die Erosion der Volksparteien - Von 91% auf 45% (Politik)

Timo_89, Donnerstag, 30.01.2025, 22:50 (vor 320 Tagen) @ Sascha
bearbeitet von Timo_89, Donnerstag, 30.01.2025, 22:54

Mal ein Schritt zurück getreten: SPD und CDU haben mal das ganze Land abgebildet. Ich bin ja zu jung, um das selbst erlebt zu haben. Aber ich schaue mir gerade die Ergebnisse der Bundestagswahlen seit 1949 an, was schon sehr interessant ist. Von 1949 bis 1976 gab es nur CDU/CSU, SPD und FDP. In dieser Phase hatten CDU/CSU + SPD [Volksparteien] zusammen folgende Wahlergebnisse.

1949: 60%
1953: 74%
1957: 82%
1961: 81%
1965: 87%
1969: 89%
1972: 91%
1976: 91%

In der Spitze hatte man zusammen 91% (!) im Jahre 1976. Die CDU kam 1957 auf 50% und die SPD 1972 auf 46%. Unglaubliche Werte. Und ab 1957 hatte man immer +80% zusammen. Es gab offensichtlich unterschiede, aber nahezu alle Menschen fühlten sich offenbar durch eine Seite abgeholt und zusammen in einer Volkspartei verankert.

1980 kamen dann Die Grünen und ab 1990 B90/Die Grünen und die Linkspartei hinzu. Die Parteilandschaft wurde größer und unterschiedlicher und die Volksparteiquote sank in den Folgejahren leicht. Logisch, es nun gab mehr Angebot / Konkurrenz.

1980: 88%
1983: 87%
1987: 81%
1990: 78%
1994: 76%
1998: 76%
2002: 77%

Aber die "Volksparteiquote" blieb trotzdem bis 2002 immer über 75%. Man hatte immer noch 3/4 der Bevölkerung hinter sich versammelt. Dann ab 2005 kam das weiter ins Rutschen. 2013 kam dann noch die AfD dazu. Man riss die 75% nun sehr deutlich, und man näherte sich bis 2021 in der Folge sogar schnell den 50% an.

2005: 69%
2009: 57%
2013: 67%
2017: 54%
2021: 50%
2025: 45%*

Die beiden großen Volksparteien, mit ihren unterschiedlichen Strömungen, haben von 1949 bis 2002 über 50 Jahre immer +75% der Menschen erreicht. Nun in der letzten Wahl 2021 waren es nur noch 50%. Und wenn ich mir die Umfragen zur *Bundestagswahl 2025 vom 30.01. von Infratest Dimap und Forschungsgruppe Wahlen anschaue, dann kommen CDU / CSU und SPD zusammen gar nur noch auf 45%. Und wenn man sich anschaut, wie viel Bewegung im Parteispektrum entstanden ist, dann kann man vermuten, dass diese jahrzehntelange Entwicklung sich eher noch fortsetzt, wenn die langjährigen Stammwähler von CDU / CSU und SPD, die ja häufig sehr alt sind, irgendwann nicht mehr unter uns sind. Das kann einem schon Sorge bereiten, bieten sie doch aktuell noch "vorhersehbares" Wahlverhalten bzw. sichern diesen Sockel.

Wenn man sich nun mal die Volksparteiquote CDU / CSU und SPD in den Einzelwerten ansieht, dann stellt man fest, dass die CDU bei den letzten 4 Bundestagswahlen noch am ehesten an alte Werte anknüpfen konnte, z.B. 42% im Jahr 2013. Die SPD dagegen hat stärker Federn gelassen.

2005: CDU/CSU 35% - SPD 34%
2009: CDU/CSU 34% - SPD 23%
2013: CDU/CSU 42% - SPD 26%
2017: CDU/CSU 33% - SPD 21%
2021: CDU/CSU 24% - SPD 26%
2025: CDU/CSU 30% - SPD 15%

Wenn man sich anschaut, dass die SPD historisch mal bei 46% stand, dann ist ein Absinken vom Spitzenwert auf nun möglicherweise 15% dramatisch. Ein Drittel. Die CDU ist von ihrem Spitzenwert 50% auch abgesunken, aber "nur" auf 30%. Beides ist nicht gut. Aber 15% für die große SPD bedeutet einen wirklich signifikanten Bedeutungsverlust im Land.

Es ist eigentlich erbärmlich, dass die CDU / CSU und die SPD zusammen es seit 2015 nicht geschafft haben dieses permanent schwelende Thema zusammen anzugehen, dass es nun zu dieser Zuspitzung gekommen ist. Ich verzichte jetzt bewusst auf einseitige Schuldzuweisungen, beide Volksparteien haben hier gemeinschaftlich nur schlecht re(a)giert, gezaudert und versagt.

Robin Alexander hat heute in seinem Podcast gesagt (sinngemäß):

- Die Mehrheit der Leute wollen wirklich endlich eine andere Migrationspolitik. Aber die Leute wollen auch nicht, dass die AfD da irgendwas mit zu tun hat. -

Es wird immer von der demokratischen Mitte gesprochen. Wenn die demokratische Mitte, also die Menschen die das letztendlich sind, den Volksparteien wirklich wichtig gewesen wären, dann hätte man zusammen versucht in einem überparteilichen Kompromiss dieses Thema besser zu managen. Ohne immer über andere zu reden und sich gegenseitig zu zerlegen. Man hätte einfach erkannt, dass das Thema seit 2015 vielen Menschen einfach erkennbar wichtig ist und man hat nicht ausreichend Lösungen angeboten. Man hat zugelassen, dass die AfD erstarkt ist.

Die Parteien, die sich jetzt auf offener Bühne zerlegen, sind gemeinschaftlich Schuld an der Misere. Und zerlegen sich selbst munter weiter. Das, was die letzten Jahre seit 2015 schon nicht geklappt hat, das kulminiert nun kurz vor dieser wichtigen Wahl in diesen Tagen.

Ich hätte im strategischen Eigeninteresse der SPD vermutlich versucht hier nicht "nur" der Mahner zu sein. Nicht nur wieder am Seitenrand zu stehen. Ich erkenne dieser Tage nicht, was der inhaltliche Plan von Scholz und der SPD bei diesem Thema ist. Sie hätten sich zusammen mit der CDU / CSU solange in einem Raum einsperren müsen, bis man zusammen eine Lösung findet, das Migrationsthema im Sinne der breiten Masse der Bevölkerung, die ja zu 2/3 eine Wende bei diesem Thema will, zu endlich im Sinne aller zu befrieden. Aber Merz hat es natürlich nun auch schwer gemacht, keine Frage. Und so stehen wir nun in diesem Dilemma, was eine Zusammenarbeit oder gar Koalitionsbildung dramatisch erschwert zwischen Rot und Schwarz.

Das ist natürlich alles nun verkürzt, viele Details fehlen. Aber ich will die historische Entwicklung der Volksparteien aufzeigen. Von 91% auf 45%. Und die Erosion droht sich fortzusetzen. Und beide Seiten haben Fehler gemacht, bevor jetzt hier wieder die Grabenkämpfe ausbrechen. Aber sie haben es gemeinschaftlich verbockt. Ironischerweise verlieren CDU und SPD beide an die AfD Wähler. Und sie arbeiten trotzdem lieber weiter gegeneinander.

Und trotz allem, haben sie bei entsprechendem Wahlergebnis die Gelegenheit sich nochmal irgendwie zusammen zu raufen und die Probleme zu lösen. Aber die Menschen sind müde und wollen nicht mehr hören, was alles nicht geht. Sie wollen auch mal sehen, was geht denn? Und da muss die SPD sich halt inhaltlich schon auf die Union zubewegen, denke ich, eben weil die Menschen wirklich mehrheitlich einen Wechsel der Politik im Bereich wollen. Sonst verliert die SPD nur noch mehr an Stimmen, man sieht es doch, das kann sie doch selbst nicht wollen.


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