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Prof. Carsten Watzl zur Situation in Island (Corona)

markus, Montag, 09.08.2021, 16:47 (vor 992 Tagen) @ Goalgetter1990

twitter.com/CarstenWatzl/status/1424615226071203841

Zwar "nur" Twitter, aber Watzl ist Leiter des Forschungsbereichs
Immunologie am Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund.


Was umso mehr dafür spricht, dass es nicht mehr sinnvoll ist, sich am Inzidenzwert zu orientieren. Wenn man - wie hier - mit 93% Durchimpfung trotzdem Inzidenzwerte jenseits der 100 hat, gleichzeitig eine Impfung aber vor schweren Verläufen gut schützt, sollte klar sein, dass andere Indikatoren (Krankenhausbelegung, Intensivbelegung, etc.) deutlich geeigneter sind, um Einschränkungen zu begründen. Ich hoffe doch inständig, dass sich dies am Mittwoch auch in der Ministerpräsidentenkonferenz durchsetzt, auch wenn ich die Ministerpräsidenten - was die bisherigen Statements angeht - als realitätsbezogener einschätze als die Bundesregierung.


Trotzdem bleibt eine Änderung der Inzidenzwerte der früheste Indikator für eine Veränderung des Infektionsgeschehens. Was die reine Belastung der Kliniken angeht, so könnte man sicherlich die jeweiligen Grenzwerte deutlich erhöhen. Um welchen Faktor, das müssten die Experten diskutieren.

Man sollte aber auch andere Gesichtspunkte nicht vergessen. Bei Inzidenzen im dreistelligen Bereich erscheint mir eine Nachverfolgung durch die Gesundheitsämter kaum noch möglich. Man müsste befürchten, dass die Situation weiter entgleist. Und bei einem hohen Infektionsgeschehen erhöht sich zudem die Gefahr, dass sich neue Escape-Varianten des Virus heraus bilden.


Ich tue mich mit dem letzten von dir genannten Punkt sehr schwer. Die Bildung von neuen Varianten lässt sich alleine schon deswegen nicht verhindern, da es in anderen Teilen der Welt - selbst mit verfügbaren Impfstoffen - immer hohe Inzidenzen geben wird (außer das Virus läuft sich irgendwann "tot"). Insofern wäre der einzige Unterschied, dass die Variante nicht hier "entsteht", sondern eben im Ausland. Aber die Möglichkeit weiterer Varianten zu nehmen, um Maßnahmen zu begründen, halte ich für schwierig.


Das Argument ist ähnlich wie das der Klimakritiker: Was können wir denn schon mit 2% der Weltbevölkerung ausrichten, wenn die anderen 98% nicht mitziehen? Der Punkt ist: Wenn jeder so denkt, kann sich nichts ändern. Irgendjemand muss anfangen. Im Idealfall ziehen alle am gleichen Strang. Wenn das nur einige wenige tun, ist das natürlich ungünstig, bringt allerdings auch schon etwas. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Varianten bilden, wird entsprechend kleiner.


Anfangen mit was genau? Das Island Beispiel zeigt doch sehr gut, dass selbst wenn alle "an einem Strang ziehen", man bestimmte Inzidenzzahlen nicht zwingend vermeiden kann. 93% Impfquote (zumindest bei den Erwachsenen) und trotzdem hohe Inzidenzen von weit über 100.

Dass es in Gebieten wie Süd-, Nordamerika oder Afrika deutlich (!) geringere Impfquoten und auch keine härteren Maßnahmen als bei uns geben wird, sollte jedem klar sein. Ergo ist es nicht möglich - aktiv die Bildung von neuen Varianten zu verhindern. Wie gesagt, der "Vorteil" wäre natürlich, dass sich nichts in Deutschland bildet, und man somit einen potenziellen zeitlichen Vorteil hätte. Aber wer glaubt, dass man es schafft weltweit die Bildung aktiv zu verhindern, befindet sich - meiner Meinung nach - auf einem Irrweg, der an der Realität scheitert.

Von vornherein die Flinte ins Korn werfen bringt uns aber auch nicht weiter. Die erste ansteckendere Variante hat sich sehr wahrscheinlich in Großbritannien entwickelt. Das wäre deutlich unwahrscheinlicher gewesen, wenn man dort effektiver gehandelt und die Inzidenzen niedriger geblieben wären. Die zweite ansteckendere Variante hat sich dann sehr wahrscheinlich aus der britischen Variante heraus in Indien weiterentwickelt. Hätte es die britische Variante gar nicht erst gegeben, hätte sich daraus wahrscheinlich nicht die indische entwickelt.

Fakt ist jedenfalls, dass die Wahrscheinlichkeit neuer Varianten höher ist, je mehr Infektionen es gibt. Es hat 200 Millionen Infektionen gebraucht, damit sich zwei mal ansteckendere Varianten entwickeln konnten. Das passiert also äußerst selten, kommt aber bei so vielen Infektionen offenbar vor. Von daher macht es schon Sinn, die Inzidenzen niedrig zu lassen. Großbritannien zeigt, dass auch ein einzelnes Land etwas hätte bewirken können. Mit dem Urtyp wäre die Pandemie bereits vorbei. Selbst mit der britischen Variante wäre die Situation jetzt total entspannt. Einzig die Deltavariante spuckt uns hier in die Suppe.


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