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"Putin’s Road to War" - sehr empfehlenswertes Interview (Politik)

Freyr, Donnerstag, 17.03.2022, 15:03 (vor 1374 Tagen) @ Thomas
bearbeitet von Freyr, Donnerstag, 17.03.2022, 15:20

Frontline von PBS veröffentlichte im Zuge einer neuen Dokumentation vor einigen Tagen ein sehr interessantes, spannendes Interview über den Weg Putins zu diesem Krieg. Julia Ioffe erzählt darin alles sehr anschaulich und gut erklärend wie es dazu kam.

https://www.youtube.com/watch?v=kSNo2FPQDQw

darin waren einige Dinge die natürlich schon bekannt sind, die aber nochmal prägnant zusammengefasst wurde.

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Interessante Punkte

- Die bizarre Sitzung des Sicherheitsrats bei der Putin Naryshkin zusammenstauchte war genau so beabsichtigt. Das ganze war nicht live und aufgezeichnet, Putin wollte dass die Bürger das sehen. Naryshkin wird verdächtigt, dass innerhalb seiner Einheit die Informationen an die sehr gut informierte CIA nach außen drangen. Und sowas vergisst Putin nicht. (System der Angst)
- Selbst im Kreml (also nicht der engste Kreis) waren die Personen im Schock nach der Invasion weil sie das so doch nicht erwartet haben (verleugnet haben dass er das macht) und wussten nun nicht was zu tun ist.

- Putin hat sich im Grunde ein Putin-System erschaffen. Putins Solarsystem, also seine engsten Vertrauten, haben einen Leben das nur für das System existiert "they have no life outside of this. They can't exist outside of the government. If you're not in, if you get that high up and that close to Putin, if you fall, you don't fall back to civilian life; you go to jail." Insgesamt ist es eher ein System der Angst

- Putin hat einen langen Pfad zu diesem Krieg beschritten. Er hat die Opposition über Jahre ausgeschaltet, er hat die politische Zivilgesellschaft zerstört, also wirklich zerstört. Er hat die unabhängigen Medien in ein sehr enges Korsett gesteckt und nun fast ganz ausgeschaltet. Zugleich hat er die Wirtschaft gut aufgestellt und mit 600 Milliarden Reserven ausgestattet (auch wenn die eingefroren sind). Er ging mit China engere Beziehungen ein und hat auch in Lateinamerika und Afrika Geschäftsbeziehungen geknüpft (sah man auch bei der Resolution).
Alles was in seinem Weltbild noch fehlt, dass er öfter nach außen trug, war die Ukraine die seiner Meinung nach zu Russland gehört. Er hatte schon lange, lange zuvor der Ukraine das Existenzrecht abgesprochen. Und er wird jetzt 70 (rundes Datum). Da wollte er seinen letzten Triumph, was ihn unsterblich machen sollte vollenden für den Oktober 2022.

- Putin hatte schon länger, z.B. bereits 2018, nicht alle Informationen erhalten die die Realität wiedergeben, sondern immer eher geschönte Informationen. Gewisse Informationen gelangen gar nicht mehr an die Spitze.
Mit Covid hat sich das unfassbar verstärkt. Insgesamt hat Covid da indirekt eine große Rolle gespielt. Putin hatte ja all die Jahre seine Überzeugungen und seine Taten, aber nun kam noch etwas hinzu. Seine Paranoia, zusammen mit der Selbstisolation. Er hat sich vollkommen isoliert, Besucher, selbst der kasachische Präsident oder sogar engste Vertraute mussten 2 Wochen vor den Treffen in Quarantäne. Es gab sogar so eine Art Schleusen vor dem Eintritt.
Währenddessen hatte man in Russland weniger Maßnahmen (oder auf Maßnahmen verzichtet) so dass es eine der höchsten Covid-Todeszahlen pro Einwohner der Welt gab. Dieses "cabin fever" hat Putins psychischen Zustand noch weitaus verschlimmert.

- Es gab vor der russischen Invasion 2014 zwei Kräfte im Kreml, einmal die Hardliner mit militärischer Vergangenheit, die Siloviki, und anderseits "Liberale" (die keine militärische, sondern wirtschaftliche Ausbildungen hatten und eher pro-westlich orientiert waren) die eine Zusammenarbeit mit dem Westen suchten und versuchten enge Wirtschaftsbeziehungen einzugehen. Nach 2014 hatte Putin jeden davon entfernt, so dass es nur noch eine Sicht gab, die der Siloviki.

- Der Schluss war leider wenig optimistisch. Würde Putin Atomwaffen einsetzen?
Wer glaubt, er würde sie nicht einsetzen, der irrt meiner Meinung nach. Alles, was Putin uns in den letzten 22 Jahren auf jedem Schritt gezeigt hat, ist, dass er jedes Mal, wenn wir denken, er würde nicht so weit gehen, es doch tut. Wir denken, dass er nicht für eine dritte Amtszeit zurückkommen wird; er hat es getan. Er wird die Krim nicht annektieren; er hat es getan. Er wird nicht in die Ukraine einmarschieren; er hat es getan. Er wird nicht versuchen, Nawalny zu töten; das hat er getan. Er wird nicht versuchen, eine amerikanische Wahl zu unterwandern; das hat er getan.
Warum sollten wir also glauben, dass er dieses Mal nicht tun wird, was er sagt? ...
....
Und wenn Sie glauben, er wüsste nicht, dass jeder auf der Welt weiß, dass die einzige Möglichkeit, das zu beenden, darin besteht, ihm eine Kugel zwischen die Augen zu jagen, dann weiß er es. Und das macht ihn auch viel gefährlicher.


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und noch einiges mehr. Wirklich eine der besten Überblicke über Putins Weg die ich bisher gesehen/gelesen hatte

Ich bin von vielen Frontline Dokumentationen begeistert und die Qualität ist wirklich sehr gut. Wünschte mir auch ein deutsches PBS.
Unter dem Suchbegriff Putin’s Road to War findet man auch die gestern dazu erschienene Dokumentation


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