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Weselsky machte in Pressekonferenz falsche Angaben (Politik)

markus, Donnerstag, 07.03.2024, 09:30 (vor 251 Tagen) @ Wallone
bearbeitet von markus, Donnerstag, 07.03.2024, 09:42

Richtig, aber es spricht schon einiges dafür, dass dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung getragen wird. Man hat den Druck erst nach und nach erhöht, zunächst mit einem Warnstreik, dann mit weiteren Streiks und nun mit Wellenstreiks. Direkt mit einem Wellenstreik hat die GDL ja gerade nicht begonnen und wäre sicher unverhältnismäßig gewesen. Die GDL wird darlegen können, dass die bisherigen Streikformen als mildere Mittel noch nicht ausgereicht haben. Denn es ist noch immer keine Einigung zustande gekommen.

Die Bahn kann das gerichtlich prüfen lassen. Bisher gibt es dazu noch nichts zu lesen.


Mal abwarten, wie sich das nach diesem 35-Stunden Streik weiterentwickelt. Dieser war ja noch mit Ankündigung. Was die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Arbeitskampfrecht betrifft, ist das ein Thema für sich, da will ich hier nicht den Rahmen sprengen. Ich glaube allerdings nicht, dass der Hinweis auf eine kontinuierliche Steigerung der Intensität des Mitteleinsatzes eine abschließende Beurteilung der Verhältnismäßigkeit kommender Streikmaßnahmen zulässt. Unangekündigte Wellenstreiks gab es in Deutschland im Bahnverkehr ja wohl noch nie. Man kann sich beim Arbeitskampfrecht halt nur an einer Reihe von Gerichtsentscheidungen orientieren, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts und Bundesverfassungsgerichts. Das betrifft aber natürlich immer andere Hintergründe.

Da können wir aber gerne ins Detail gehen. Die Rechtsprechung ist schon sehr gewerkschaftsfreundlich unterwegs. Es gibt keine Verpflichtung, einen Kompromiss anzunehmen (auch weil es sowas wie ein Schlichtungsgesetz nicht gibt). Es ist allein Sache der Tarifpartner, sich zu einigen. Beide Parteien können zu Kampfmitteln greifen. Sie müssen sich nur am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren.

Die Gewerkschaft muss ein legitimes Kampfziel verfolgen. Das kann bei dem Ziel, die Stunden reduzieren und das Einkommen erhöhen zu wollen ohne Zweifel bejaht werden. Es handelt sich um Kernthemen von Tarifauseinandersetzungen. Die Kampfmittel müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein und da ist es schon sehr vorbildlich, wenn nicht direkt mit den großen Kanonen geschossen wird, sondern stufenweise eskaliert wird. Ich kopiere hier mal einen Auszug aus der BAG Entscheidung von 2007 rein (ab Randnummer 31).

(a) Geeignet ist ein Kampfmittel, wenn durch seinen Einsatz die Durchsetzung des Kampfziels gefördert werden kann. Dabei kommt den einen Arbeitskampf führenden Koalitionen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie haben einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Arbeitskampfmaßnahme geeignet ist, Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben. Die Einschätzungsprärogative ist Teil der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Freiheit in der Wahl der Arbeitskampfmittel. Sie betrifft grundsätzlich nicht nur die Frage, welches Kampfmittel eingesetzt wird, sondern auch, wem gegenüber dies geschieht (BAG 18. Februar 2003 - 1 AZR 142/02 - BAGE 105, 5, zu B I der Gründe; vgl. auch Bieback in Däubler Arbeitskampfrecht Rn. 382, 383). Nur wenn das Kampfmittel zur Erreichung des zulässigen Kampfziels offensichtlich ungeeignet ist, kann eine Arbeitskampfmaßnahme aus diesem Grund für rechtswidrig erachtet werden (BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136, zu B II 2 b der Gründe).

(b) Erforderlich ist ein Kampfmittel, wenn mildere Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels nach der Beurteilung der den Arbeitskampf führenden Koalition nicht zur Verfügung stehen. Auch insoweit umfasst deren Betätigungsfreiheit grundsätzlich die Einschätzung, ob sie zur Erreichung des verfolgten Ziels das gewählte Mittel für erforderlich oder andere Mittel für ausreichend erachtet (vgl. dazu auch BAG 21. Juni 1988 - 1 AZR 651/86 - BAGE 58, 364, zu A I 3 der Gründe). Die Grenze bildet auch hier der Rechtsmissbrauch. Ein solcher liegt dann vor, wenn es des ergriffenen Kampfmittels zur Erreichung des Ziels - etwa deshalb, weil der Gegner dazu erkennbar ohnehin bereit ist - offensichtlich nicht bedarf.

(c) Verhältnismäßig im engeren Sinn (proportional) ist ein Arbeitskampfmittel, das sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt. Insoweit steht einer Arbeitskampfpartei keine Einschätzungsprärogative zu, geht es doch hierbei nicht um eine tatsächliche Einschätzung, sondern um eine rechtliche Abwägung. Allerdings ist bei dieser stets zu beachten, dass es gerade das Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme ist, durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben. Unverhältnismäßig ist ein Arbeitskampfmittel daher erst, wenn es sich auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellt.

https://openjur.de/u/171995.html#:~:text=Dies%20entspricht%20der,C%20I%201

Eignung und Erforderlichkeit lassen sich ohne Probleme zugunsten der GDL bewerten. Denn natürlich ist auch ein Wellenstreik geeignet, Druck aufzubauen. Mildere Mittel sind bereits ausgeschöpft, die Bahn war insbesondere nicht dazu bereit, die Forderungen vollständig zu erfüllen. Lediglich die Angemessenheit (verhältnismäßig im engeren Sinn) lässt ein paar Fragezeichen zu. Da aber der Bahnverkehr nicht komplett zum Erliegen kommt und es (wenn auch für manche sehr eingeschränkt) Alternativen gibt (Bus, Auto, Fahrrad, Taxi), dürften die Beeinträchtigungen angemessen sein.

Die Bahn kann dem ja auch ein schnelles Ende setzen, indem sie die Forderungen der GDL akzeptiert. Sie wägt aber ab und hält die Schäden durch den Streik wohl selbst nicht für so gravierend, als dass diese völlig unangemessen wären. Die Schäden werden von der Bahn in Kauf genommen, um auszuloten, ob die Arbeitszeit am Ende 37, 36 oder 35 Stunden beträgt. Das was wir sehen, ist letztendlich ein ganz normaler Arbeitskampf. Es wird jetzt noch weiter gepokert, bis eine der beiden Seiten zuerst nachgibt. Ich vermute, dass es am Ende entweder 35 Stunden werden oder man sich auf 36 Stunden einigt.


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