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Lumpen-Pazifismus (Politik)

Goalgetter1990, Donnerstag, 21.04.2022, 20:56 (vor 1340 Tagen) @ Wallone

Okay, war vielleicht ein bisschen arg ruppig von mir, pardon. Also anders: Lobo ist sich ja nicht nur sehr sicher, was die Friedensbewegung angeht, sondern auch was die Haltung der SPD betrifft, die er gleich mitabfertigt. Du machst dir seinen Standpunkt zu eigen, dein gutes Recht.

Also ich stelle fest: Du bist dir genauso sicher, was deine Fundamentalkritik an der SPD angeht, wie Lobo, bei dem mir (genauso wie bei dir) unklar ist, woher er seine Selbstgewissheit in dieser Frage bezieht. Nachdem ich das geschrieben hab, willst du mir genau aus dieser Haltung heraus erklären, warum Lobo natürlich vollkommen Recht hat (Thema: Selbstgewissheit). Das führst du dann am Ende auch noch auf die vermeintliche Haltung der Friedensbewegung zu Kuba, China und Venezuela zurück. Punkte, zu denen Lobo noch nicht mal was geschrieben hat.

Pardon, aber so macht das halt wenig Sinn, wir haben da einfach unterschiedliche Standpunkte.

Der Verweis auf Venezuela, Kuba und China war lediglich da zu verdeutlichen, dass Teile der Friedensbewegung nicht an freiheitlichem Frieden interessiert sind, sondern so ideologisch in ihrem (anti-NATO & anti-Ami) Weltbild verankert sind, dass sie selbst in diesem Konflikt überall die Schuld suchen, nur nicht bei Russland. Freiheitskämpfe in Lateinamerika oder Asien werden bejubelt, aber wenn sich eine Demokratie gegen Russland verteidigt, ist es moralisch verwerflich.

Aber davon abgesehen: Die Friedensbewegung hat 3 zentrale Argumente, warum man der Ukraine keine Waffen liefern sollte.

1. Die Ukraine hat sowieso keine Chance. Waffenlieferungen bringen nichts mehr: Hier muss ich mich extrem wundern, dass nach wie vor diese These aufgestellt wird. Die Niederlage und Rückzug der Russen aus Kiew war eine massive Niederlage. Zudem ist dieser Krieg für die Ukraine ein totaler Krieg, das heißt, das komplette Militär inkl. Reservisten inkl. Freiwillige kämpfen. Bei den Russen kämpfen "nur" die regulären Einheiten + eine bestimmte Anzahl Syrer. Rein von der Mannstärke, ist die Ukraine den Russen überlegen. Bloß hat Russland mehr und teilweise besseres Material. Aber genau das ist ja der Punkt, den man durch Waffenlieferungen ausgleichen kann. Das Argument hat sich entsprechend als falsch erwiesen. Die meisten Experten sind sich sehr sicher, dass Russland viele der ursprünglichen Ziele (Regierungswechsel, Einnahme von Kiew, etc.) nicht erfüllen kann. Und das kann man als Sieg der Ukraine bezeichnen.

2. Lieferung von Waffen verlängert nur den Krieg: Klar, das ist so! Hätte man im Vorfeld keine Waffen geliefert und würde jetzt keine Waffen liefern, dann würden die Russen innerhalb weniger Wochen die komplette Ukraine nehmen. Man würde Politiker verschwinden lassen, Ergebnis wären evtl. wenige Tausend Ermordete und ein vielfaches von dem im Gefängnis (im Vergleich zu den 100.000nden Toten des Krieges). Und das Ergebnis wäre eine totalitäre stalinistische Diktatur im Land. Generationen an Ukrainern würden in ein Unterdrückungsregime hineingeboren werden. Dass diejenigen, die Länder wie Kuba, China oder Venezuela als vorbildhafte Staaten ansehen, das nicht so schlimm fänden, ist mir klar. In diesem Zusammenhang sagt die Friedensbewegung klar: Frieden ist wichtiger als Freiheit und Demokratie. Das mag deren Meinung sein, ist aber nicht die Meinung der Menschen in der Ukraine. Dass freie Menschen das Recht haben zu entscheiden, ob man sein eigenes Leben einsetzen möchte um genau das zu verhindern, steht für mich außer Frage. Die von Lobo angesprochene Friedensforscherin (welche Massendemos als geeignetes Mittel des Widerstands bezeichnet hat) kann ja mal mit dem Demonstranten in Kherson reden, ob diese weiter demonstrieren wollen (und früher oder später in einem der Massengräber landen wollen), oder ob es ihnen lieber wäre, dass die Ukrainische Armee Kherson erreicht. Ich kann dir sagen, was die Antwort sein wird. Entsprechend ist es nicht im Ermessen der Friedensbewegung zu entscheiden, ob sich die Ukraine verteidigen möchte oder nicht.

3. Waffen schaffen niemals Frieden: Unser Staatsverständnis basiert grundlegend auf dem Prinzip der wehrhaften Demokratie, auch in Zeiten des Friedens. Man muss mit der Heroisierung eines Selenskyi nichts anfangen, aber wenn er sagt, dass die Demokratie besser bewaffnet sein muss als die Tyrannei, dann hat er damit Recht! Eine Abrüstungs-Spirale ist der Ideal-Zustand, funktioniert aber nur dann, wenn sich alle an die Regeln halten. Selbstverständlich kann man abrüsten, wenn man entsprechende internationale Verträge aufsetzen kann und auch sich darauf verlassen kann, dass das Völkerrecht geachtet wird.

Der 2. Punkt ist in der Debatte der meiner Ansicht nach Wichtigste, da er die grundlegende Frage stellt: Ist Freiheit und Demokratie wichtiger als Frieden & darf man sich gegen einen Unterdrücker wehren und damit den Tod Tausender in Kauf nehmen. Aber selbst wenn man Frieden über Freiheit stellt, hat niemand das Recht, dieses Urteil anderen aufzulegen. Und das tut die Friedensbewegung wenn sie sagt "Die Ukraine soll kapitulieren".


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