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nur Geplänkel (Politik)

markus, Mittwoch, 29.09.2021, 22:58 (vor 933 Tagen) @ Foreveralone

Auch reiche Menschen sollten Interesse daran haben, dass es für jeden Menschen bezahlbaren Wohnraum gibt und das er für seine Arbeit entsprechend entlohnt wird, ohne irgendwelche Stütze noch in Anspruch nehmen zu müssen, alleine des sozialen Friedens wegen.


Wo ist denn der soziale Frieden in Gefahr? Hier in Deutschland trauen sich die Leute nicht einmal in die für sie zuständige Gewerkschaft einzutreten. Das Recht dazu hätte hier jeder. Ebenso hätte dann jeder ein Streikrecht mit dem er seinen eigenen Arbeitgeber dazu zwingen kann, gerecht zu entlohnen. Das ist eigentlich ganz einfach. Aber man hat Angst davor, seinen mies bezahlten Job zu verlieren und duldet einfach weiter, von seinem Arbeitgeber ausgebeutet zu werden. Die Tarifbindung ging von ca. 70% im Jahr 2000 auf heute knapp 50% zurück. Wer früher auch mit einfachen Tätigkeiten wie selbstverständlich zur Mittelschicht gehörte, liegt heute unter den angepeilten 12€ Mindestlohn.


Vom Streikrecht und den Vorzügen einer Gewerkschaft machst du aber auch nur meist dann Gebrauch, wenn du in einem relativ großen Betrieb bzw Konzern arbeitest, der Regie-gesteuert ist.

Als einfacher Angstellter, ohne Betriebsrat unter einer selbstständigen Führung in einem mittelständischen Unternehmen, kannst du dir das in Praxis von der Backe putzen.
Lidl und Aldi zahlen z.B im Lebensmittel-EH überdurchschnittlich gut, da die Märkte zentralisiert sind. Bei Edeka oder Rewe kannst du je nach selbständigen Arbeitgeber auch in die Röhre gucken.

Und DA muss halt der Staat eingreifen und regulieren. Das ist das Fundament.

Was genau soll der Staat denn machen? Es muss ja jemanden geben, der die Bedingungen vor Ort beurteilen kann und dann entscheidet, welche Entlohnung angemessen ist. Exakt das gibt es ja schon in Form von Gewerkschaften. In jeder Region gibt es örtliche Fachbereiche, die genau dafür zuständig wären. Auch für den Bereich Einzelhandel gibt es in Verdi einen eigenen Fachbereich.

Oder soll der Gesetzgeber regeln, dass jedes Unternehmen tarifgebunden sein muss? Wird auch schwierig, da dann niemand mehr einen Grund hat, Mitglied zu werden. Das wiederum führt dazu, dass die Gewerkschaften aussterben, da sie sich nicht mehr finanzieren könnten. Zudem müssen die tariflichen Bedingungen am Ende auch gut genug sein. Ansonsten gibt es zwar überall einen Tarifvertrag, aber mit unterirdischen Bedingungen. Angemessene Bedingungen bekommt man am Ende nur hin, wenn es jemanden gibt, der beurteilen kann, welche Entlohnung überhaupt angemessen ist und der das dann auf Augenhöhe aushandelt und dann in einem Tarifvertrag festhält.

Das „auf Augenhöhe verhandeln“ funktioniert allerdings nur, wenn genügend Mitglieder vorhanden sind, die im Fall der Fälle mit Arbeitskampfmaßnahmen Druck ausüben. Das Streikrecht ist an der Stelle das Maß aller Dinge. Nur damit ist ein verhandeln auf Augenhöhe möglich. Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht schon 1980 gemeint:

Die Gewerkschaften sind auf die Bereitschaft zum Abschluß von Tarifverträgen auf Seiten bestimmter Arbeitge­ber oder Arbeitgeberverbände angewiesen. Sie können nicht zu einem anderen Vertragspartner ausweichen, wie es den Marktge­setzen entsprechen würde. Sie können auch nicht voraussetzen, daß die Gegenseite das gleiche Interesse am Abschluß eines Tarifvertrages haben und deshalb verhandlungsbereit sein werde. Nach dem bisherigen Stand der Dinge ist die bestehende Tariflage und u. U. sogar ein tarifloser Zustand für die Ar­beitgeber vorteilhafter als für die Arbeitnehmer. In der bisherigen Sozialgeschichte waren die Gewerkschaften fast immer gehalten, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu fordern und durchzusetzen. Seit Bestehen der Bundesrepublik sind die Produktivität und das Preisniveau ständig gestiegen, so daß den Gewerkschaften die Aufgabe zufiel, die notwendigen Anpassungen zu erreichen. Hingegen konnten die Arbeitgeber als ihre Tarifvertragspartner kein unmittelbares Interesse daran haben, z.B. die Löhne stärker anzuheben, die Arbeitszeit zu verkürzen, die Rationalisierung durch Schutzvorschriften zu erschweren. Bei diesem Interessengegensatz wären Tarifverhand­lungen ohne das Recht zum Streik im allgemeinen nicht mehr als "kollektives Betteln". Soweit Tarifverträge überhaupt zustande kämen, beruhten sie nur auf dem einseitigen Willensentschluß einer Seite und böten daher nicht die Gewähr eines sachgerechten Ausgleichs der beiderseitigen Interessen.

Urteil des BAG vom 10. Juni 1980

Natürlich ist das in größeren Unternehmen einfacher, weil man sich in kleineren nicht mit seinem Chef anlegen möchte. Aber das Recht dazu hat man auch in kleineren Unternehmen. Wenn der eigene Chef ein Arsch ist, weil er den Gewinn hauptsächlich in die eigene Tasche steckt und die Mitarbeiter für einen Hungerlohn arbeiten, lohnt es sich vielleicht doch, den dann unbequemeren Weg zu gehen. Wenn die Mitarbeiter sich absprechen und alle zusammen Mitglied werden, würde auch dort schnell Bewegung reinkommen.


Ich bin absolut für den höheren Mindestlohn. Aber auch mit 12€ kann niemand große Sprünge machen. Zumal dann auch Dinge Lebensmittel, Friseur, Essen gehen auch teurer werden. Wer deutlich mehr möchte, der muss auch etwas dafür tun. Entweder in Form von persönlicher Weiterbildung, oder aber über das starke Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und so auch für die kleinen Leute angemessene Löhne herauszuholen. Das heißt nicht, dass dadurch der Arbeitgeber in den Ruin getrieben wird. Auch Gewerkschaften wissen, dass Arbeitgeber Geld verdienen müssen. Aber sie achten auf ein angemessenes Verhältnis. Wenn viel Gewinn da ist, dann wird auch mehr durchgesetzt. Wer sein Recht aber nicht wahrnimmt, akzeptiert die normalen Marktgrundsätze Angebot und Nachfrage. Und hat dann das Recht verwirkt, sich beschweren zu dürfen.


Viele Leute wählen doch schon entgegen ihrer Interessen bzw gar nich. Liegt aber auch daran, weil hier über Jahrzehnte die untere bzw mittlere Gesellschaft gespalten und gegeneinander ausgespielt wurde.

Die Leute lassen es halt mit sich machen. Statt zusammenzuhalten denkt jeder an sich selbst. Hier spricht ja auch niemand über sein Gehalt, weil man glaubt, dass man das nicht darf und weil man nicht möchte, dass andere dann das gleiche einfordern. Neid und Missgunst untereinander, statt als Belegschaft zusammenzuhalten und sich zu wehren, ist hier oft der Normalzustand.


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