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Thüringen (Politik)

Pfostentreffer, Montag, 02.09.2024, 16:30 (vor 465 Tagen) @ Didi

Bin etwas unter Zeitdruck, aber gerne ein paar Aspekte. Und sicher verkürzt!


Erst einmal ein Mega danke sehr für die ausführliche, klare und für mich lehrreiche Antwort. Da stehen definitiv einige Punkte drin, von denen wir lernen könnten. Gern würde ich über einiges diskutieren, aber mir geht's wie dir, passt zeitlich gerade nicht, deswegen ebenfalls nur schnelle Antworten auf einige Punkte.


1) Bürgerbeteiligung

Bei uns können jederzeit 100'000 wahlberechtigte Leute eine Volksinitiative verlangen. Wird diese angenommen, kommt es zu einer Anpassung der Verfassung. Da wird manchmal auch über Mist abgestimmt (Minarette), aber es führt halt dazu, dass die "normalen" Leute einen gewissen Hebel haben. Und der erstreckt sich halt über alle politischen Themen: Klima, Altervorsorge, Gesundheitskosten...

Gleichzeitig kann mit 50'000 Stimmen über jedes Gesetz nochmal abgestimmt werden. Das CO2-Gesetz war vielen zu links, es werden also Unterschriften gesammelt - das Gesetz recht klar wird abgeschossen.

Und ausserdem muss jede Verfassungsänderungs vor das Volk.

Witzig, wie kann denn ein CO2 Gesetz zu links sein?

Für die Abstimmungen müssten wir erstmal eine Kultur entwickeln. Die sind in Deutschland eher nicht so aktivierend, wie bspw. gerad an der Anti-Gender Unterschriftensammlung sieht. Das gleiche würde für die Informierung der Bevölkerung über die jeweiligen Themen gelten, dass würden wir kaum so neutral hinbekommen denke ich wie ich es bei euch schon gesehen habe.

> 2) Alle relevanten Parteien sind integriert
[quote]
Egal ob aus kommunlaer, kantonaler (=Bundesland) oder nationaler Ebene: Es gibt keine Regierung <=> Oppositions-Konstellation, sondern die grossen 4-5 Parteien werden in die Regierung eingebunden. Da stellt die SVP halt mal den Umwelt- und Verkehrsminister, die Linke den Innenminister und die FDP den Finanzminister. Und wenn einer zurücktritt, kann es hier Verschiebungen geben. Die Regierungen treffen die Entscheidungen zusammen und vertreten sie nach Aussen.
[/quote]

Das hört sich in der Tat sehr geil an. Dürfte auch diese permanenten öffentlichen Positionierungsgefechte, die dann schnell nix mehr mit der Realität zu tun haben, deutlich einschränken.

> Das gleiche auf Ebene der Gesetzgebung: Da kommt ein Gesetzesentwurf ins Parlament und der wird dann halt gemeinsam austariert. Die Parteien in der Mitte schaffen oft Mehrheiten. Manchmal unterliegen die Linken, manchmal die Rechten, aber die in der Mitte schaffen oft Mehrheiten. Beim nächsten Gesetz (zuerst Cannabis, dann Rentenversicherung) werden die Karten wieder neu gemischt.


Das hört sich ebenfalls sehr gut an und ein schönes Indiz, dass hier (und in vielen anderen Ländern) nicht alle bekloppt sind, sondern es wirklich strukturell zumindest gemässigt werden kann.

>
[quote]Aber es sitzt keiner im Raum - auch die Parteien wie die Grünen, die keinen Minister stellen - die sich konsequent nur dagegen einsetzen und "dem Bürger" erklären, es sei ja alles doof. Ich denke, das hilft dem Klima im Land auch.

Und es sorgt halt für eine grosse Stabilität: Natürlich gewinnen nach Fukushima und dank Greta mal die Grünen, aber nach dem Krieg in Russland kippt das dann wieder zurück. Aber das Schiff bleibt auf Kurs. Auch wenn natürlich ein SVP-Minister nun die AKW-Debatte neu lanciert, am Ende wird es halt dann die Mehrheit im Parlament brauchen und die wird dann mitgetragen oder eben vom Volk mitentschieden.

3) Breite des Diskurses

Ich muss es mal in der Deutlichkeit sagen, aber der Kooridor dessen, was gesagt werden kann, ohne dass man gleich mit der Heugabel gejagt wird, ist ein anderer. Da ist man nicht gleich ein Unmensch, nur weil man es wagt, mal darüber zu sprechen, wie viel Migration denn wirklich erwünscht ist. Und ob ein Bevölkerungswachstum von jährlich fast 10% wirklich erwünscht und verkraftbar ist.[/quote]

Das ist fast schon lustig, dass du das sagst, denn ich hab letztens einen Schweizer "Arbeitskollegen" das erste Mal nach einigen Jahren persönlich wieder getroffen und er fragte mich, ob ich mich in D denn noch wohl fühlen würde, weil er hätte den Eindruck, dass man nicht mehr alles sagen dürfe. Ich hab ihm wahrheitsgemäss geantwortet, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie etwas nicht sagen durfte was ich sagen wollte und auch nicht wüsste, was ich nicht sagen darf (ausser natürlich Beleidigungen) und dementsprechend nicht das Gefühl habe, mir aber bewusst ist, dass andere Leute das Gefühl haben.

Dein Beispiel ist auch gut: Das man bspw. ein Unmensch ist, wenn man darüber spricht, wie viel Migration erwünscht ist, nehme ich nicht so wahr. Tatsächlich kommen solche Äusserungen ja mittlerweile selbst von den Grünen, weil es nun mal mittlerweile das ist, was die meisten Leute (bzw. zumindest Wähler) hören wollen.

Kannst dich ja als Politiker mal hinstellen und sagen, unbegrenzte Migration finde ich super, sollte gefördert werden, vor allem aus muslimischen Ländern total dufte. Dann dürften die Mistgabeln deutlich schneller näherkommen als beim Gegenteil, welches wir ja täglich vernehmen. Was natürlich ebenfalls ein Beweis für deinen Punkt wäre, nur von der anderen Seite.

> Und das ist halt medial auch relativ austariert. Der "Blick" ist eher mitte-links mit Ausreissern, der Tagesanzeiger auch. Die NZZ am Sonntag steht in der Mitte, die "normale" NZZ ist hässlich geworden. Die "Weltwoche" ist ein SVP-Blatt... aber jede politische Ecke hat ihr Blatt.

Interessant, dass du Blick "mitte links" einordnest, alles, was ich davon bisher gelesen habe, war weit von irgendetwas Linkem entfernt. Waren aber natürlich auch nur Schlagzeilen. Der gleiche Arbeitskollege erzählte mir ebenfalls, dass nahezu alle Regionalzeitungen Blocher besitzt.

> 4) Wohlstand
[quote]
Und am Ende hilft sicher einfach auch der Wohlstand. Natürlich reibt man sich auch hier und es gibt intensive Diskussionen über Energie, Migration oder auch Inflation. Aber halt schon auf einer weniger grundlegenden Niveau als in vielen Ländern. Und das hilft halt sicher auch, die Sache mitzutragen.
[/quote]

Das hilft bestimmt. Ist halt immer die Frage, auf wessen Kosten.

> Insgesamt aber fände ich für Deutschland das eine oder andere direktdemokratische Modell schon sehr erwägenswert.

ich bin da immer so 50:50. Grundsätzlich sehe ich es auch so, da bei uns aber bereits der Populismus regiert, bin ich mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist.

> PS. Und ja, natürlich nerven die Rechtspopulisten, aber ich persönlich kann damit Leben, wenn es dazu dient, dass in diesem Land alle Meinungen ihren Platz haben und die Schweiz "insgesamt" einen Kurs fährt, der irgendwo zwischen SPD und CDU liegt.

Allein dazu könnte ich einen Roman schreiben:-) Aber wie oben bereits angesprochen, dürfte das heute eng werden.


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