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Es ist aber auch immer einfach gesagt (Politik)

Ulrich, Montag, 18.09.2023, 09:21 (vor 820 Tagen) @ Kruemelmonster09

Was sind denn "die Ängste" von "der Bevölkerung" und wie lassen diese sich lösen?

Man sollte nicht vergessen, dass wir in den letzten Jahren in der Summe so schwer gebeutelt worden sind, wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.

Zunächst kam die Pandemie. Die hat einige Leute komplett aus der Bahn geworfen. Die konnten oder wollten z.B. zum Teil nicht verstehen, welche Gefahren von einem Virus ausgehen, gegen das es in der Bevölkerung keinerlei Immunität gab. Und dann begannen einige Verschwörungsgeschichten zu kreisen. Das Virus, angeblich gab es das gar nicht. Alles nur ausgedacht, um den Impfstoff verteilen zu können. Und der sollte angeblich nur dazu dienen, die Menschen zu ferngesteuerten Zombies zu verwandeln. Die angeblichen Retter: Donald Trump und Wladimir Putin. Tatsächlich hatte die Pandemie schwere Folgen für die Weltwirtschaft. Die Lieferketten rissen teilweise ab, es fehlten weltweit Materialien, Vorprodukte und Bauteile.

Dann kam die Invasion der Ukraine durch Russland. Niemand wusste, ob sich der Krieg tatsächlich auf die Ukraine beschränken würde oder ob er sich -z.B. wegen irgend welcher unglücklichen Zufälle- auch zu einem Konflikt mit der NATO ausweiten würde. Die Märkte vor allem für Erdgas und auch Erdöl liefen komplett aus dem Ruder, in der Folge ging wegen Merit-Order der Strompreis durch die Decke. Dies schlug dann deutlich auf die Wirtschaft durch.

Wir sind bisher deutlich besser durch die Pandemie und die bisherigen wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg gekommen, als von vielen erwartet. Aber trotzdem leiden wir darunter. Die Inflation ist zurückgekehrt, und obwohl die anders als früher nicht durch eine heiß laufende Wirtschaft, sondern durch vom Mangel bedingte Preissteigerungen ausgelöst worden ist, haben die Zentralbanken mit Zinserhöhungen reagiert. Das und vieles andere schlägt z.B. voll auf den Bausektor durch. Zu einem Zeitpunkt, an dem wir eigentlich Wohnraum sanieren und neuen Wohnraum schaffen müssten, droht ein Kompletteinbruch in der Branche.


Das ist ja das Problem. Unsere Gesellschaft ist so viel schichtig und hat ebenso viele verschiedene Probleme.

Die einen halten die aktuellen Energiepreise für viel zu hoch und den Weg hin zur Teuerung von fossilen Energien für absoluten Wahnsinn. Dem steht eine Gruppe von Menschen gegenüber, denen die Klimapolitik absolut nicht ausreicht.
Dazwischen stehen Menschen die sich Sorgen um das Klima machen, aber nicht wissen wie sie eine Umstellung bezahlen sollen. Ebenso sind dazwischen all die Menschen, denen es bewusst ist wie es um unser Klima steht, die aber der Meinung sind Klimapolitik mache erst Sinn, wenn sie überall auf der Welt betrieben wird.

Wir stecken mitten im Klimawandel, und das ist die dritte Krise, auf lange Sicht betrachtet vermutlich die schwerwiegendste. Und dieser Klimawandel spielt sich mitten in Europa, vor unserer Haustür ab. Dieses Jahr sind weite Teile Deutschlands glimpflich davon gekommen. Verheerende Dürren, Waldbrände, und dann sintflutartige Starkregenereignisse haben sich dieses Mal in Südeuropa abgespielt. Aber vorher hatten wir auch bei uns die trockensten Jahre seit vielen Jahrhunderten.

Wir müssen weltweit den CO2-Ausstoß in den nächsten gut zwanzig Jahren weitgehend zurückfahren. Und die EU und Deutschland müssen hier als hoch entwickelte Nationen mit hohem CO2-Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung eine Vorbildfunktion wahrnehmen.

Das bedeutet z.B., wir müssen weg von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, hin zur Elektromobilität. Im Pkw-Bereich und in Teilen des Güterverkehrs auf der Straße mittels Akku, im Güterfernverkehr auf der Straße ggf. mittels Wasserstoff.

Im Gebäudesektor müssen wir weg vom Heizen mit Heizöl und Erdgas, hin zur Nutzung von Regenerativen Energien. Hier werden in Zukunft Wärmepumpen in unterschiedlicher Form eine immer größere Rolle spielen, unterstützt von intelligenter Nutzung von Abwärme und ggf. Geothermie, etc.

Das ist alles in den Griff zu bekommen, und solche Umstellungen sind auch nicht neu. Ich hatte lange eine Zweitwohnung in einem Reihenhaus, das 1961 gebaut worden ist. Dort gab es in so gut wie jedem Raum noch einen Kamin. Es war klar erkennbar, dass dieses Gebäude ursprünglich mit Kohleöfen beheizt worden war, eine Gasheizung wurde erst später nachgerüstet. Über kurz oder lang wird auch die Gasheizung heraus fliegen und voraussichtlich durch eine Wärmepumpe ersetzt werden.

Aber trotzdem wecken solche Umstellungen Ängste. Die wurden teilweise von der Politik ignoriert. Beim Heizungsgesetz z.B. hat man sich zu Beginn viel zu wenig Gedanken gemacht, wie man die Menschen mitnehmen kann. Die Sorge, finanziell überfordert zu werden, stand bei vielen nachvollziehbarer Weise im Raum, und man hat diese Sorgen nicht ernst genommen.

Deutlich schlimmer ist aber, dass diese Ängste von Teilen der Politik und von Teilen der Medien ganz massiv gescheut wurde. Hier haben sich vor allem CDU, CSU und weite Teile der FDP unrühmlich hervor getan.

Frank Schäffler von der FDP z.B. hat behauptet, die Umrüstung auf eine Wärmepumpe würde angeblich 150.000 Euro kosten. Und Markus Söder hat dann noch einen drauf gesetzt und die Zahl von 300.000 Euro in den Raum geworfen. Friedrich Merz hat angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs der CDU bei der nächsten Bundestagswahl das Heizungsgesetz kassieren zu wollen. Das Signal war klar "Wenn Ihr mich wählt, dann könnt Ihr auch in Zukunft zeitlich unbeschränkt weiter mit Öl und Gas heizen!". Michael Kretschmer hat jetzt gefordert, Nord Stream unverzüglich zu reparieren, damit wir in zwei bis drei Jahren wieder Erdgas aus Russland importieren können. Gleichzeitig bekämpft er den Ausbau der Regenerativen Energien in seinem Bundesland noch immer ganz massiv. Vor allem bei der Windenergie ist Sachsen sehr weit hinten. Aber auch in Bayern z.B. sind in diesem Jahr noch keine zehn neuen Windkraftanlagen genehmigt worden, in NRW z.B. hingegen eine deutlich dreistellige Zahl.

Und Bild und Co. haben den Eindruck erweckt, dass der Wirtschaftsminister persönlich den Menschen am 01.01.2024 die Gas- und Ölheizungen aus den Kellern reißen würde. Auf manche Schlagzeilen wäre Goebbels stolz gewesen.

Vor allem wird eines verschwiegen: Deutschland hat sich weltweit und innerhalb der EU verbindlich verpflichtet, seine CO2-Emissionen stufenweise herunter zu fahren. Da kommen wir nicht heraus.

Der nächste große Einschnitt wird am 01.01.2027 stattfinden. Dann werden der Verkehrs- und der Gebäudesektor in den CO2-Zertifikatehandel integriert. Benzin, Diesel, Heizöl oder Erdgas darf auch in diesen Sektoren nur derjenige verkaufen, der vorher die entsprechenden Zertifikate erworben hat. Ohne geht gar nichts, da können Öl und Gas noch so billig sein. Und bereits heute ist absehbar, dass das Angebot deutlich kleiner als die Nachfrage sein wird. Und je mehr Menschen bis zum Stichtag an Öl- oder Gasheizung und am Auto mit Verbrennungsmotor festhalten, um so teurer wird es werden. Dann wird es den echten Aufschrei geben.


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